Volvo Ocean Race 2014, Indischer Ozean: In der Nacht vom 29. auf den 30. November fährt Team Vestas Wind mit 19 Knoten auf ein Riff auf. Glücklicherweise kommt bei der Havarie niemand zu Schaden, vom Boot einmal abgesehen. Die Segelwelt schreit auf und fragt sich, wie so ein Fiasko nur passieren konnte. Auch wir sind recht verwundert. Wie zu einem späteren Zeitpunkt deutlich wurde, hatte der Navigator auf der elektronischen Karte wohl nicht genug hereingezoomt und so die gefährlichen Untiefen übersehen. Zeitsprung: 22. April 2021. Die OKOUMÉ nähert sich von Süden kommend der Westküste La Palmas. Der Kartenplotter zeigt, dass wir direkt unser Ziel, den Hafen von Tazacorte, ansteuern. Doch plötzlich kommen die steilen Klippen immer näher…
Aber der Reihe nach: Nachdem wir von unserem Makler erfahren haben, dass es noch 2 Monate oder länger dauern dürfte, bis wir für die Umschreibung unserer „Fincas“ zum Notar können (s. Eintrag März 21), entscheiden wir uns zu einem Ausflug zur südlichen Nachbarinsel El Hierro. Um zwischen den beiden Kanareninseln hin und herzusegeln, benötigen wir keinen COVID-Test, und das Wetter sieht auch passend aus. Also holen wir unsere OKOUMÉ aus dem Winterschlaf. Aus einer schwimmenden Wohnung wird endlich wieder ein Segelboot. Gut 50 Seemeilen sind es von Tazacorte (auf der Insel La Palma) zum Hafen von La Estaca, im Nordosten El Hierros. Das Gefühl wieder unterwegs zu sein, ist einfach toll, auch wenn uns der offene Atlantik mit zwei Metern Schwell begrüsst. Immer wieder begegnen wir einem Schwarm Sepiataucher (Gelbschnabel Sturmtaucher) und eine grosse Schule Delfine kommt zu Besuch. Die Tiere begleiten uns eine volle Stunde lang und schwimmen auch später immer wieder mit uns. Wann haben wir so etwas zum letzten Mal erlebt? Es wird uns bewusst, wie sehr uns das alles in den letzten Monaten gefehlt hat. Im freundlichen Hafen von La Estaca fühlen wir uns auf Anhieb wohl. Am Steg liegen nur eine Handvoll Boote, die Stimmung ist herzlich und entspannt. Das Wasser ist sehr sauber und klar; sogar ein Schwarm Barrakudas scheint im Hafen zu leben und versteckt sich sogleich unter dem Rumpf der OKOUMÉ. Von der Atmosphäre her erinnert uns der Hafen irgendwie an Porto Santo (wenn auch der Strand nebenan nicht goldgelb und sandig, sondern schwarz und steinig ist). Einzig die Fähre (die werktags einmal täglich ein und ausfährt) und der beständige Wind sorgen für etwas Unruhe. Wir sind überrascht, wie grün und fruchtbar El Hierro im Norden ist. Wir wandern durch üppige, verschwenderisch duftende Blumen und Kräuterwiesen und staunen. Obwohl wir auf offiziellen Wanderwegen unterwegs sind, sieht man vor lauter Blumen den Boden kaum, von Wanderwegmarkierungen fehlt jede Spur. Teilweise wächst uns das Grün fast über den Kopf – im wahrsten Sinn des Wortes, denn einmal geht es wirklich nicht mehr weiter und wir müssen uns einem Bachbett entlang zur nächsten Strasse durchschlagen und dabei natürlich noch über eine Mauer klettern (die Alternative wäre ein mit Stacheldraht umzäuntes Kakteenfeld gewesen ;-)). Ganz anders sieht es im sonnenverwöhnten, südlicheren Gebiet um El Pinar aus. Hier ist es um einiges trockener und auf den diversen Pfaden, die durch die stillen Kiefernwälder führen, treffen wir alle zehn Meter auf einen Wegweiser… Mit Ausflügen, Wandern, Unterwasser-Putzen, Schlendern durch den Hafen und Klönschnack vergeht die Zeit wie im Flug und nach einer Woche auf El Hierro bietet sich bereits ein Wetterfenster für die Rückfahrt nach Tazacorte. Dies bringt uns zum Anfang dieses Beitrags zurück. Als wir der Küste La Palmas entlang nordwärts motoren (wie so oft herrscht auf der Westseite der Insel Flaute), beschleicht die etwas träge und faule Crew plötzlich das Gefühl, dass mit dem Kurs etwas nicht stimmen kann. Laut Kartenplotter halten wir genau auf Tazacorte zu. Die Realität sieht aber anders aus, wir nähern uns bereits jetzt schon viel zu sehr der Küste. Endlich verstehen wir: Der Richtungsvektor auf der elektronischen Karte zeigt nicht den Kurs über Grund, sondern den Kurs ohne Beschickung. Vereinfacht gesagt: Der Pfeil auf der Karte zeigt dahin, wo auch der Bug der OKOUMÉ hinzeigt und nicht dahin, wohin wir effektiv fahren (auf dem Meer ist das oft ein grosser Unterschied, denn Wind und Strom versetzen das Boot und auch Missweisung und Deviation gilt es zu beachten). Vor einigen Wochen hatten wir den Plotter im Cockpit auf Werkszustand zurückgesetzt und wieder frisch eingerichtet, weil er uns zuvor ein paar Probleme bereitet hatte. Offenbar hatten wir da nicht daran gedacht, auch die Einstellung der Vektoren zu überprüfen. Wir sind einfach davon ausgegangen, dass der Richtungspfeil den „Kurs über Grund“ anzeigt, so wie er es die letzten Jahre lang getan hatte. Wie schnell man sich an etwas gewöhnt, es nicht mehr hinterfragt und sich – zu sehr – daran orientiert (es hat ja immer prächtig funktioniert…). Kleinlaut passen wir die Einstellungen an und nehmen die schöne, unnötig gefahrene Kurve auf dem Display als Mahnmal, auch weiterhin nicht nur auf die Elektronik zu vertrauen. Wir werden uns nun wieder unserem Projekt an Land zuwenden und wünschen euch eine gute Zeit, denn wer weiss, wann wir wieder zum Segeln und Schreiben kommen werden. Bliibed xund, cheerio us Tazacorte, Thomas & Regula
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