Volvo Ocean Race 2014, Indischer Ozean: In der Nacht vom 29. auf den 30. November fährt Team Vestas Wind mit 19 Knoten auf ein Riff auf. Glücklicherweise kommt bei der Havarie niemand zu Schaden, vom Boot einmal abgesehen. Die Segelwelt schreit auf und fragt sich, wie so ein Fiasko nur passieren konnte. Auch wir sind recht verwundert. Wie zu einem späteren Zeitpunkt deutlich wurde, hatte der Navigator auf der elektronischen Karte wohl nicht genug hereingezoomt und so die gefährlichen Untiefen übersehen. Zeitsprung: 22. April 2021. Die OKOUMÉ nähert sich von Süden kommend der Westküste La Palmas. Der Kartenplotter zeigt, dass wir direkt unser Ziel, den Hafen von Tazacorte, ansteuern. Doch plötzlich kommen die steilen Klippen immer näher…
Aber der Reihe nach: Nachdem wir von unserem Makler erfahren haben, dass es noch 2 Monate oder länger dauern dürfte, bis wir für die Umschreibung unserer „Fincas“ zum Notar können (s. Eintrag März 21), entscheiden wir uns zu einem Ausflug zur südlichen Nachbarinsel El Hierro. Um zwischen den beiden Kanareninseln hin und herzusegeln, benötigen wir keinen COVID-Test, und das Wetter sieht auch passend aus. Also holen wir unsere OKOUMÉ aus dem Winterschlaf. Aus einer schwimmenden Wohnung wird endlich wieder ein Segelboot. Gut 50 Seemeilen sind es von Tazacorte (auf der Insel La Palma) zum Hafen von La Estaca, im Nordosten El Hierros. Das Gefühl wieder unterwegs zu sein, ist einfach toll, auch wenn uns der offene Atlantik mit zwei Metern Schwell begrüsst. Immer wieder begegnen wir einem Schwarm Sepiataucher (Gelbschnabel Sturmtaucher) und eine grosse Schule Delfine kommt zu Besuch. Die Tiere begleiten uns eine volle Stunde lang und schwimmen auch später immer wieder mit uns. Wann haben wir so etwas zum letzten Mal erlebt? Es wird uns bewusst, wie sehr uns das alles in den letzten Monaten gefehlt hat. Im freundlichen Hafen von La Estaca fühlen wir uns auf Anhieb wohl. Am Steg liegen nur eine Handvoll Boote, die Stimmung ist herzlich und entspannt. Das Wasser ist sehr sauber und klar; sogar ein Schwarm Barrakudas scheint im Hafen zu leben und versteckt sich sogleich unter dem Rumpf der OKOUMÉ. Von der Atmosphäre her erinnert uns der Hafen irgendwie an Porto Santo (wenn auch der Strand nebenan nicht goldgelb und sandig, sondern schwarz und steinig ist). Einzig die Fähre (die werktags einmal täglich ein und ausfährt) und der beständige Wind sorgen für etwas Unruhe. Wir sind überrascht, wie grün und fruchtbar El Hierro im Norden ist. Wir wandern durch üppige, verschwenderisch duftende Blumen und Kräuterwiesen und staunen. Obwohl wir auf offiziellen Wanderwegen unterwegs sind, sieht man vor lauter Blumen den Boden kaum, von Wanderwegmarkierungen fehlt jede Spur. Teilweise wächst uns das Grün fast über den Kopf – im wahrsten Sinn des Wortes, denn einmal geht es wirklich nicht mehr weiter und wir müssen uns einem Bachbett entlang zur nächsten Strasse durchschlagen und dabei natürlich noch über eine Mauer klettern (die Alternative wäre ein mit Stacheldraht umzäuntes Kakteenfeld gewesen ;-)). Ganz anders sieht es im sonnenverwöhnten, südlicheren Gebiet um El Pinar aus. Hier ist es um einiges trockener und auf den diversen Pfaden, die durch die stillen Kiefernwälder führen, treffen wir alle zehn Meter auf einen Wegweiser… Mit Ausflügen, Wandern, Unterwasser-Putzen, Schlendern durch den Hafen und Klönschnack vergeht die Zeit wie im Flug und nach einer Woche auf El Hierro bietet sich bereits ein Wetterfenster für die Rückfahrt nach Tazacorte. Dies bringt uns zum Anfang dieses Beitrags zurück. Als wir der Küste La Palmas entlang nordwärts motoren (wie so oft herrscht auf der Westseite der Insel Flaute), beschleicht die etwas träge und faule Crew plötzlich das Gefühl, dass mit dem Kurs etwas nicht stimmen kann. Laut Kartenplotter halten wir genau auf Tazacorte zu. Die Realität sieht aber anders aus, wir nähern uns bereits jetzt schon viel zu sehr der Küste. Endlich verstehen wir: Der Richtungsvektor auf der elektronischen Karte zeigt nicht den Kurs über Grund, sondern den Kurs ohne Beschickung. Vereinfacht gesagt: Der Pfeil auf der Karte zeigt dahin, wo auch der Bug der OKOUMÉ hinzeigt und nicht dahin, wohin wir effektiv fahren (auf dem Meer ist das oft ein grosser Unterschied, denn Wind und Strom versetzen das Boot und auch Missweisung und Deviation gilt es zu beachten). Vor einigen Wochen hatten wir den Plotter im Cockpit auf Werkszustand zurückgesetzt und wieder frisch eingerichtet, weil er uns zuvor ein paar Probleme bereitet hatte. Offenbar hatten wir da nicht daran gedacht, auch die Einstellung der Vektoren zu überprüfen. Wir sind einfach davon ausgegangen, dass der Richtungspfeil den „Kurs über Grund“ anzeigt, so wie er es die letzten Jahre lang getan hatte. Wie schnell man sich an etwas gewöhnt, es nicht mehr hinterfragt und sich – zu sehr – daran orientiert (es hat ja immer prächtig funktioniert…). Kleinlaut passen wir die Einstellungen an und nehmen die schöne, unnötig gefahrene Kurve auf dem Display als Mahnmal, auch weiterhin nicht nur auf die Elektronik zu vertrauen. Wir werden uns nun wieder unserem Projekt an Land zuwenden und wünschen euch eine gute Zeit, denn wer weiss, wann wir wieder zum Segeln und Schreiben kommen werden. Bliibed xund, cheerio us Tazacorte, Thomas & Regula
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Lange ist es her seit unserem letzten Blogeintrag. Dies hat damit zu tun, dass wir derzeit kaum reisen. Mal abgesehen von unserem Besuch in der Schweiz über Weihnachten und Neujahr bewegen wir uns kaum, unsere OKOUMÉ liegt gut vertäut im Hafen von Tazacorte auf der Kanareninsel La Palma. Und dies ist nicht nur wegen der anhaltenden COVID-Krise so, die das Reisen erschwert, sondern auch, weil wir hier auf La Palma ein neues „Projekt“ in Angriff genommen haben: Wir sind dabei, eine Finca zu kaufen! Genauer gesagt: ein Häuschen, das sich in einem recht guten Zustand befindet, ein etwas grösseres Haus, das sehr renovationsbedürftig ist, eine kleine alte Ruine (deren Dach bald einstürzt), einen Hühnerstall (der bei der Übergabe dann hoffentlich leer sein wird), einen Schuppen voller Unrat und einen Garten, der – wie es in der Maklersprache oft so schön heisst – grösstenteils „naturbelassen“ ist (will heissen, von Unkraut überwuchert). Unser Ziel ist es, die Häuschen umzubauen beziehungsweise zu renovieren. Unser neues Projekt wird sehr arbeits- und zeitintensiv sein (und sorgt bei der Schiffs-Crew, für die ein solches Abenteuer zu LAND etwas komplett Neues ist, auch mal für schlaflose Nächte ;-) ). Wir werden also erst einmal eine grössere Reisepause einlegen und auch unseren Reiseblog an dieser Stelle unterbrechen. Wenn wir wieder in See stechen, werden wir wieder berichten, oder dazwischen auch einmal etwas über den Fortgang unseres neuen Finca-Projekts schreiben.
Bevor wir unser neues Projekt konkret angehen können, wird es noch einige Zeit dauern. Wir haben zwar schon eine Anzahlung gemacht und einen Reservationsvertrag unterzeichnet, aber für die Umschreibung der Liegenschaft beim Notar benötigen wir noch so einige Papiere und Unterlagen, deren Beschaffung etwas dauern dürfte. Es gibt ja den Spruch, dass die Spanier grosse Pferdeliebhaber seien – und am liebsten sei ihnen der Amtsschimmel, und dieser Spruch ist nicht ganz unbegründet. Jedenfalls sind wir froh, einen guten Makler zu haben, der uns durch den Kaufprozess begleitet. Weil wir Schweizer keine EU-Bürger sind, brauchen wir, zum Beispiel, eine Bewilligung des spanischen Militärs, wenn wir hier ein Haus erwerben wollen. Für diesen Antrag muss man einen Auszug aus dem Strafregister beilegen, inklusive einer beglaubigten spanischen Übersetzung desselben (der Auszug ist in unserem Fall zwar schon viersprachig – Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch –, aber das reicht natürlich nicht…). Auch mussten die Parzellen des Lands und die Häuschen neu ausgemessen werden, denn die Objekte waren nur teilweise im Kataster eingetragen und die Grenzen stimmten sowieso nicht. Das alles ist hier aber ganz normal – und braucht halt einfach seine Zeit. Langweilig wird es uns aber nicht, es gibt noch viel zu organisieren und abzuklären. Dazwischen pflegen wir unsere OKOUMÉ, erkunden die Insel (meist zu Fuss – La Palma ist ja ein Wanderparadies), lassen das Leben hier weiter auf uns wirken und machen neue Bekanntschaften. Und dann müssen wir ja auch noch Spanisch lernen. Wir hoffen, ihr bleibt gesund und guten Mutes, und dass auch ihr, trotz Corona, eure Projekte (seien sie gross oder klein) weiterverfolgen könnt. Bis dänn, cheerio vo de OKOUMÉs Thomas & Regula Endlich! Es regnet – wie schön! Und dieses Mal sind es nicht nur ein paar flüchtige Tropfen, die quasi schon verdunstet sind, bevor sie den Boden erreichen (und die unsere Freundin Martina von der MAJE als „flüssige Sonne“ bezeichnen würde). Nein, seit ein paar Tagen haben wir einmal wieder einen richtigen Regen, bei dem man tatsächlich alle Luken schliessen muss und froh ist, wenn das Boot dicht ist. Ein richtiger Regen, der regelmässig auf das Deck prasselt, während man es sich drinnen im wohlig-warmen Salon gemütlich macht, einen Tee (mit Rum) trinkt, ein Buch liest – oder einen neuen Blogeintrag schreibt. Dies mag in euren Ohren komisch klingen. Aber nach einem guten halben Jahr ohne richtigen Regen – nach Monaten unter Sonne und blauem Himmel – haben diese Regengüsse wirklich etwas Schönes und Beruhigendes für uns. Und ausserdem macht es einfach mehr Spass, die Weinachts-Lämpli im Salon bei Regenwetter und im Pulli aufzuhängen als bei 30 Grad und im Bikini…
Der Regen wird hier auf den Kanaren auch dringend benötigt, denn die Inseln leiden schon seit Jahren unter anhaltender Trockenheit. Wir haben das Gefühl, die Welt um uns herum atmet auf. Allerdings: Gerade weil die Erde so trocken ist, kann zu viel Regen in kurzer Zeit auch dramatische Folgen haben und zu Erdrutschen und Steinschlägen führen. Vor Kurzem hat ein Steinschlag in Tazacorte grossen Schaden angerichtet; eines der Restaurants am Fuss des „El Time“ wurde komplett zerstört. Glücklicherweise war das Restaurant gerade geschlossen und es befanden sich auch kaum Passanten auf der Strandpromenade (es regnete ja in Strömen), und es wurde niemand verletzt! Wir sind nun schon seit gut zwei Monaten auf La Palma, der nordwestlichsten Insel der Kanaren. In der Marina von Tazacorte haben wir einen guten Liegeplatz gefunden. Der Hafen ist bestens geschützt und ruhig. Wir treffen hier viele nette Segler (einige kennen wir schon von früher – die Seglerwelt ist wirklich klein!), der hübsche Badestrand liegt gleich um die Ecke und es mangelt auch nicht an charmanten Restaurants und Bars. Tazacorte besteht aus zwei Ortsteilen, einem kleinen Badeort am Meer (Tazacorte Puerto – hier war der Steinschlag) und einem etwas erhöht liegenden Städtchen (Tazacorte Villa), das man vom Hafen aus zu Fuss in etwa 15 Minuten erreicht. Die Stimmung hier ist freundlich und ungekünstelt, irgendwie herrlich „normal“. Der Tourismus ist nicht übertrieben (im Moment ist es wegen der COVID-Krise natürlich ruhiger als sonst – Ballermann-Stimmung herrscht hier aber auch ohne COVID nicht). Und auch daran, dass sich die Einheimischen nicht in einer normalen Lautstärke miteinander unterhalten können, haben wir uns inzwischen gewöhnt. Was in unseren Schweizer Ohren wie ein lautes Streitgespräch tönt, ist hier in Wahrheit eine ganz normale Unterhaltung. Und nein, die Leute haben nicht Südafrika am Draht, wenn sie hier auf der Strasse telefonieren, auch wenn man es meinen könnte… Während der Grossteil Europas stark von der zweiten Corona-Welle getroffen wird, geht es hier auf La Palma recht gelassen zu und her. Die Fallzahlen sind konstant tief und die Einschränkungen viel weniger streng als am Festland. Es gibt zwar eine allgemeine Maskenpflicht, aber wir können uns frei bewegen. Die Läden und Restaurants haben auf (wenn auch aufgrund mangelnder Kundschaft mit teils reduzierten Öffnungszeiten) und im kleinen Rahmen finden auch kulturelle Veranstaltungen statt. Und Regula nimmt neuerdings auch Spanisch-Stunden. Wir haben also wirklich Glück gehabt und sind zur rechten Zeit am rechten Ort! Es ist fast wie ein kleines Paradies hier. Und doch machen wir uns auch viele Gedanken über die Zukunft und sind etwas verunsichert, was uns das nächste Jahr bringen wird, wo unsere „Reise“ hingehen soll. Unser Weltenbummler-Lebensstil wird durch COVID natürlich sehr erschwert. Ist nun die Zeit, etwas Neues anzugehen? Könnten wir vielleicht hier auf La Palma heimisch werden, uns etwas aufbauen? Und auch kurzfristige Reisepläne sind nicht sicher: Über Weihnachten und Neujahr wollen wir in die Schweiz fliegen (unser letzter Besuch bei unseren Freunden und Familien ist schon eineinhalb Jahre her!), aber ob die Flüge dann wirklich durchgeführt werden oder ob uns die Corona-Krise doch noch einen Strich durch die Rechnung macht, weiss man halt nicht so genau. Flexibel bleiben ist die Devise… Und doch: Wie unbedeutend und nichtig unsere kleinen Alltagssorgen doch eigentlich sind! Das wird uns hier auf den Kanaren immer wieder vor Augen geführt. Während wir uns um eigentliche „Luxusfragen“ Gedanken machen, bangen hier viele Einheimische um ihre Existenz. Und nicht nur COVID macht in diesem Jahr Schlagzeilen. 2020 wird auf den Kanaren auch als Beginn einer neuen Flüchtlingswelle in die Annalen eingehen. Von dieser Tragödie vernimmt man in den Schweizer Nachrichten kaum etwas. An die 20‘000 Migranten sind dieses Jahr bereits auf den Kanaren angekommen (zum Vergleich: 2019 setzten ca.2500 Flüchtlinge auf die Kanaren über; 2018 waren es deren 1300). Die Flüchtlinge kommen aus Marokko, dem Senegal, Guinea, der Elfenbeinküste oder Mali. Sie flüchten vor dem Hunger, der Armut, dem Klimawandel, der Korruption und der unsicheren Zukunft in der Sahelzone. Unter anderem weil die Mittelmeerroute inzwischen stärker kontrolliert wird, wagen sie nun die lange und gefährliche Reise über den Atlantik zu den Kanaren und riskieren dabei ihr Leben. Mehr als 600 Menschen starben dieses Jahr bei der tagelangen Überfahrt. Die Behörden auf den Kanaren sind mit dem Strom an Migranten überfordert. Die spanische Regierung hat den Kurs in der Flüchtlingspolitik verschärft und will die Flüchtlinge nicht auf das Festland lassen – man fürchtet wohl, dass man sonst die Migranten zur Flucht über die Kanaren ermuntern würde. Ein Grossteil der auf den Kanaren eintreffenden Flüchtlinge wird nach Gran Canaria gebracht (hauptsächlich nach Arguineguín und Mogán). Aber auch hier auf La Palma kommen wir immer wieder mit der Flüchtlingsproblematik in Berührung. Fast täglich lesen wir auf unserem Navtex-Empfänger, dass Boote in der Gegend aufgefunden wurden oder sich in Seenot befinden. Wir haben auch schon mehrmals Hubschrauber auf Suchflügen beobachtet. Am meisten beeindruckt hat uns aber das Flüchtlingsboot, das eine Zeitlang auf dem Trockenplatz von Tazacorte lag (inzwischen wurde es weggebracht). Als wir vor dem einfachen, offenen Cayuco stehen, läuft uns ein kalter Schauer über den Rücken. Die Vorstellung, welche Verzweiflung Menschen dazu treibt, in ein solches Boot zu steigen und auf das offene Meer zu fahren – in einer völlig überfüllten Nussschale ohne jeden Schutz – treibt uns die Tränen in die Augen. Welche Strapazen die Menschen auf so einer Reise durchmachen müssen! Wenn wir mit unserer OKOUMÉ zur See fahren, tun wir dies mit einem hochseetüchtigen Segelboot, einer guten Sicherheitsausrüstung und reichlich Proviant; wir besitzen die Möglichkeit, Wetterberichte zu empfangen und unsere Route entsprechend anzupassen. Und trotzdem erfüllt uns die See immer wieder mit Ehrfurcht und wir begegnen ihr mit grossem Respekt. Gerade auf unserem Törn zu den Kanaren – unweit der afrikanischen Küste – war der Seegang beträchtlich. Wie es einem typischen Flüchtlingsboot in so einer Wetterlage ergehen würde, möchten wir uns nicht ausmalen. Ja, wir sind wirklich in einer luxuriösen Lage. Wir haben die Freiheit und die Möglichkeit, unsere Zukunft zu gestalten, Entscheidungen zu treffen. Auch wenn es nicht immer einfach ist, herauszufinden, was der richtige Weg ist: Dass wir überhaupt die Wahl haben, ist ein grosses Privileg, das nicht vielen Menschen zuteil wird. So, um den heutigen Tag etwas weniger schwermütig ausklingen zu lassen, werden wir uns nun mal mit der grossen Entscheidung beschäftigen, welchen Wein wir heute zum Abendessen aufmachen sollen ;-) Und euch wünschen wir inzwischen eine schöne Adventszeit, bliibed xund und gfrääss, und rutsched dänn guet is Nöie Jaar! Herzlichi Grüess us Tazacorte, Thomas & Regula P.S. Übrigens haben wir hier auf La Palma inzwischen eine Kuh gesehen (vgl. letzter Beitrag), sogar mehrere Exemplare!! :-) Immer wieder begegnen wir auf den Kanaren Strassenschildern, die vor freilaufendem Rindvieh warnen. Zumindest interpretieren wir die dreieckigen, rotumrandeten Tafeln so, die in der Mitte eine, in unseren Augen, Kuh-ähnliche Abbildung aufweisen. Doch auf welcher Insel wir uns auch befinden: Nie haben wir bisher ein echtes Exemplar des wiederkäuenden Vierbeiners gesehen.
Die letzten drei Inseln haben wir gar aus unterschiedlichen Perspektiven besichtigt und noch immer keine Kuh gefunden: Gran Canaria besuchen wir auf dem Seeweg, segeln im Uhrzeigersinn um die fast kreisrunde Insel und ankern während gut zwei Wochen im sonnigen Süden. Nun gut, wahrscheinlich hat sich gerade keine Kuh an die Küste verirrt… Aber was ist mit Tenerife und La Gomera? Tenerife erkunden wir ausgiebig mit dem Mietwagen, fahren quasi jede vorhandene Strasse der grössten Kanareninsel ab. Und auf La Gomera sind wir schliesslich gemütlich per Bus und zu Fuss unterwegs. Und noch immer zeigt sich das gleiche Bild: Strassenschild: ja – Kuh: Fehlanzeige. Kuh hin oder her, die letzten Wochen auf den Kanaren waren sehr abwechslungsreich. Auf Gran Canaria steuern wir zuerst den grossen, 1300 Liegeplätze fassenden Hafen von Las Palmas de Gran Canaria an. Diese Marina kennen wir schon, hier waren wir bereits einmal vor 10 Jahren, als wir im Rahmen der ARC (Atlantic Rallye for Cruisers) über den Atlantik segelten. Dieses Mal ist es uns in Las Palmas etwas zu stickig und zu nervös. Nach 5 Tagen Grossstadt – und gefühlten 1000 Kilometern zu Fuss über Hafenstege, Asphalt und Pflastersteine, durch Markthallen, Einkaufszentren und Shoppingmeilen – setzen wir bereits wieder Segel und machen uns auf in den Süden Gran Canarias, wo wir bei Pasito Blanco den Anker fallen lassen. Täglich scheint die Sonne von einem wolkenlosen, blauen Himmel; ein sanfter Wind und der Sprung vom Boot ins 24 Grad warme Wasser gestalten das Bord-Leben sehr angenehm. Manchmal wird es zwar etwas schauklig, wenn nachts der Wind schlafen geht und von Süden her ein unangenehmer Schwell in die Bucht zieht. Daran gewöhnen wir uns mit der Zeit. Woran wir uns aber nicht so recht gewöhnen können, ist die Verwandlung, die die Bucht im Lauf des Tages durchmacht. Früh morgens ist alles noch ruhig und idyllisch. Die wenigen vor Anker liegenden Boote schwojen friedlich an den Ketten, ein Pärchen schlendert händchenhaltend über den nahen Strand. Erinnerungen an unsere Zeit in der Karibik werden wach. Das Leben vor Anker ist auf das Wesentliche konzentriert, es gibt nicht viel Ablenkung. Wir haben Zeit für uns, Zeit für Gedanken und Gespräche, Zeit für ein gemütliches Beisammensein mit Freunden bei einem Sundowner oder Kaffee. Mehr noch als im Hafen lernen wir die Ressourcen Strom und Süsswasser wieder schätzen und gehen sparsam mit ihnen um. Wir realisieren wieder, wie wenig Energie und Wasser wir eigentlich brauchen und dass es uns trotz – oder gerade wegen? – der Einschränkungen sehr wohl ist. Für solche Gedanken ist jedoch bald kein Raum mehr. Schon beim Frühstück geht es los. Wasserskifahrer, Jetskis (gegen die wir ja eigentlich keine Abneigung mehr hegen dürfen, s. Beitrag zu Angra de Heroismo), protzige Motoryachten und kleine Badeböötchen, Segelschiffe, Fischer und und und: Quasi im Sekundentakt kommen sie alle aus den nahen Marinas, brausen mit Vollgas zwischen den Ankerliegern hindurch oder lassen in nächster Nähe den Anker fallen. Bald ist die Bucht übervoll, Party-Musik dröhnt aus den Lautsprechern, es wird ordentlich gebechert, gegrillt, gegrölt, geplanscht. Stundenlang können wir im Cockpit sitzen und diesem bunten Schauspiel zusehen. Thomas meint sogar, dies sei ja besser als fernsehen. Wenn es dunkel wird, ist der Spuk wieder vorbei, die Tagesausflügler kehren in den Hafen zurück und die Bucht verfällt wieder in ihren Dornröschenschlaf. Ausser es ist gerade Wochenende. Dann gesellen sich zu den üblichen Verdächtigen noch die vermögenden Bootsbesitzer aus Las Palmas hinzu (die, wie wir von Freunden erfahren, von den Einheimischen gerne als „New Russians“ bezeichnet werden), und dann geht die Party zu Wasser oft bis tief in die Nacht hinein. Als sich nach einer Weile ein Wetterfenster für die Weiterfahrt andeutet, sind wir nicht allzu böse. Wir nutzen die Chance und segeln über Anfi del Mar und Puerto de Mogán nach Tenerife. In Santa Cruz, der Hauptstadt Tenerifes, fühlen wir uns wohl. Das Stadtzentrum ist überschaubar und gut zu Fuss zu erkunden. In den baumgesäumten, schattigen Gassen laden Kaffees und Bars zum Verweilen ein. Und vom Hafen aus haben wir einen wunderbaren Blick auf das majestätische Anaga-Gebirge. Mit dem Mietauto geht es über die mit 2034 km2 grösste und wirklich vielseitige Kanareninsel. Wie immer, wenn wir mit dem Auto unterwegs sind, arbeitet Regula im Vorhinein einen groben Fahrplan aus. Dieses Mal kommt es jedoch anders, als wir denken. Vom Autoverleih erhalten wir nämlich einen Audio-Guide auf CD (dumm ist nur, dass es im Auto keinen CD-Player gibt und wir die CD erst an Bord der OKOUMÉ auf eine SD-Karte überspielen müssen, die sich dann im Auto wiedergeben lässt). Der Audio-Guide ist sehr ausführlich und die Beschreibungen der unzähligen Sehenswürdigkeiten Tenerifes sprudeln nur so über vor Superlativen. Der Besuch diesen und jenen Ortes, Aussichtspunkts oder Museums ist „unbedingt zu empfehlen“, „lohnt sich auf jeden Fall“ oder „sollte auf keinen Fall verpasst werden“, heisst es immer wieder. An jeder Ecke scheint ein überaus geschichtsträchtiges Gebäude oder eine Jahrhunderte alte Kirche auf den Besucher zu warten… Obwohl wir über die blumigen Ausführungen schmunzeln müssen, lassen wir uns wiederholt zu einem Umweg verleiten. So kurven wir zum Beispiel auf der Suche nach der korrekten Ausfahrt über eine Stunde in Los Realejos herum, einer Ortschaft, die auf der CD als „die feierfreudigste Gemeinde Spaniens“ angepriesen wird. Eine ausserordentliche Feststimmung können wir hier nicht ausmachen. Im Gegenteil, wir haben eher das Gefühl, in einer durchschnittlichen Kleinstadt gelandet zu sein, in der die Einwohner mit nicht gerade Party-Laune ausstrahlendem Gesichtsausdruck ihren ganz normalen Tagesaktivitäten nachgehen, sich auf dem üblichen Weg zur Arbeit, zum Supermarkt oder zur Bar an der Ecke befinden (vielleicht sind sie gerade besonders frustriert, weil ihnen Corona einen Strich durch die sonst so ausgelassene Festtagsstimmung macht?). Auch wollen wir es uns wegen der Ausführungen auf der CD nicht nehmen lassen, den ältesten Drachenbaum der Kanaren zu fotografieren, der an die 1000 Jahre alt sein soll. Auch wenn es auf Tenerife sicherlich gewichtigere Sehenswürdigkeiten gibt, so ist dieser Baum, der in Icod de los Vinos steht, tatsächlich schön anzusehen. Gemäss Audio-Guide ist der Drachenbaum ja auch „eines der wichtigsten Natur-, Kultur- und Geschichtssymbole der kanarischen Inseln“. Und unweit des „Parque del Drago“ finden wir zudem eine nette Tapas-Bar :-) Nachdem wir es trotz diverser Routenabweichungen doch noch geschafft haben, die Hauptattraktionen Tenerifes zu besuchen (wie zum Beispiel den Teide-Nationalpark oder die Schlucht bei Masca), segeln wir weiter zur Nachbarinsel La Gomera. Hier machen wir in der „Marina La Gomera“ in der kleinen, gemütlichen Hauptstadt San Sebastián fest (9000 Einwohner), wo es uns auf Anhieb gefällt. Nur die zunehmenden Einschränkungen und Sicherheitsvorkehrungen wegen COVID-19 trüben den Enthusiasmus ein wenig. Bereits in Tenerife mussten wir überall im öffentlichen Raum eine Maske tragen (selbst wenn der Mindestabstand von 1,5m eingehalten werden konnte). Wir sind Gast in diesem Land und halten uns natürlich an die Regeln. Aber etwas mühsam ist diese Maskenpflicht schon (und manchmal etwas fraglich, so darf man zum Beispiel im Restaurant die Maske erst abnehmen, wenn die Getränke serviert werden und nicht schon dann, wenn man sich hinsetzt – zumindest ist das theoretisch so, in der Praxis ist man oft „flexibler“). Inzwischen haben wir jedoch die Lösung gefunden, wie wir die „Maskerade“ bestmöglich umgehen können. In der freien Natur, abseits von Siedlungen, muss man die Maske nicht tragen. Auch darf man die Maske abnehmen, wenn man isst. Die optimale Kombination ist also: die „Genusswanderung“! In unserem Wanderführer finden wir tatsächlich eine Wanderung, die als „Genussbummel durch die Bergdörfer oberhalb des Valle Gran Rey“ beschrieben wird, weil sich auf dem Weg zahlreiche Einkehrmöglichkeiten befinden. Also nichts wie los! Wie es uns auf diesem „Genussbummel“ ergangen ist (und auf einer weiteren wunderschönen Wanderung, die uns vom höchsten Gipfel La Gomeras, dem Garajonay, ins Tal von Hermigua führt), erfährt ihr in der folgenden Fotostrecke. Wir beginnen die Fotogalerie in La Gomera und „reisen“ retour über Tenerife nach Gran Canaria. Herzliche Grüsse aus San Sebastián de la Gomera und bis zum nächsten Bericht (wer weiss, vielleicht haben wir bis dann die Kuh ja gefunden?), Thomas & Regula Am 7. Juli ist es soweit: Nach über 9 Monaten in Lagos verlassen wir Portugal – ja, tatsächlich! Eigentlich wollten wir zuerst nach Madeira, und noch vorher nach Irland. Beide Pläne sind jedoch wegen COVID-19 ins Wasser gefallen. Da uns als Winterziel sowieso die Kanaren vorschweben und die Grenzen zu Spanien nun offen sind, setzen wir halt direkt Segel südwärts – auf nach Lanzarote! Mit einem lachenden und einem weinenden Auge lösen wir die Leinen. Es ist gut, wieder unterwegs zu sein, aber der Abschied von Lagos fällt uns auch schwer.
Für die 550 Seemeilen von Lagos nach Arrecife, der Hauptstadt Lanzarotes, verspricht der Wetterbericht schönen Wind aus nördlicher Richtung, für unseren Kurs also von hinten, und Wellen von bis zu 2,5 Metern. Der schöne Wind entpuppt sich als schön stark, vier Tage lang weht es ununterbrochen mit 5-6 Beaufort (in Böen 7). Die See ist entsprechend rau. Am dritten Morgen traut Regula ihren Augen kaum, als sie die Wache übernimmt. In der grauen Morgendämmerung kommen richtige Wellenberge angerauscht, und sie werden immer höher und spitzer. Von wegen 2,5 Meter… Diese Wellen müssen doppelt so hoch sein. Es sind die höchsten, denen wir je auf See begegnet sind! Wir fragen uns, wo diese Seen herkommen, denn so viel Wind haben wir ja nun auch wieder nicht. Vielleicht sind sie durch die Kompression entlang der afrikanischen Küste entstanden, wo es gerade stärker weht? Als wir auf diese beeindruckenden Wellen treffen, befinden wir uns etwa 120 Seemeilen nordwestlich von Agadir. Auch wenn wir uns in Anbetracht dieser mächtigen Wassermassen sehr klein und zerbrechlich vorkommen, ist es beruhigend zu sehen, wie zuverlässig der Autopilot die OKOUMÉ steuert (im Steuermodus „Windwinkel“). Trotz der konfusen, hohen See und fast platt vor dem Wind, nur mit doppelt gerefftem Grosssegel, hält unser Raymarine-Autopilot das Boot stabil auf Kurs. Das Heck dreht immer rechtzeitig zu den heranrollenden Wellen, auch wenn das „Füdli“ unseres Bootes manchmal neckisch seitwärts ausschert. Einmal schleudert eine besonders heimtückische Welle Regula von der Pantry auf den gegenüberliegenden Navi-Tisch und Thomas findet sich kurzerhand auf dem Cockpitboden wieder. Müssten wir von Hand steuern, wären wir nach kurzer Zeit völlig übermüdet. Die OKOUMÉ ist ein kleines Kind auf einer Schaukel, mit 4 Knoten geht es heckvoran in die Höhe, dann gibt der Wellenkamm unserer Nussschale einen spielerischen Schubs und unser Boot rauscht mit 10 Knoten talwärts. Und so geht es auf und ab und auf und ab und auf und ab. Als wir nach vier Nächten auf See im Hafen von Arrecife festmachen, sind wir nicht nur tüchtig durchgeschüttelt, sondern auch um eine wertvolle Erfahrung reicher. Und wir sind beide etwas „landkrank“: In unseren Köpfen schaukelt es noch ein paar Stunden lang weiter, als wir wieder festen Boden unter den Füssen haben. Vielleicht hätten wir – nach 9 Monaten im sicheren Hafen und geschützten Gewässern – doch auf ein beschaulicheres Wetterfenster warten sollen ;-) Wobei dies nicht ganz leicht ist, denn es ist im Sommer auf den Kanaren eigentlich immer sehr windig. Dies haben wir schon im Vorfeld von anderen Seglern gehört und erfahren es nun auch selber. Während der guten Woche, die wir nun schon in Arrecife weilen, hat uns der böige Wind nicht nur verschiedenes Treibgut in Form von Fendern und Schuhen gebracht, sondern auch ein Fahrrad vom Steg geweht (das wir zur grossen Freude des deutschen Besitzers mit vereinten Kräften und Einsatz des Drag-Ankers wieder ans Tageslicht befördern) und unseren Bootsnachbar ins Hafenwasser geblasen, als dieser mit den Leinen hantiert. Zu zweit ziehen wir den verdatterten 75-jährigen Franzosen wieder aus dem Wasser. Zum Glück ist er, von ein paar Schrammen an den Beinen abgesehen, wohlauf und guter Dinge. Wir reinigen und desinfizieren seine Wunden und laden ihn auf den Schreck zum Apéro ein. Seither scheint unser Nachbar einen Narren an uns gefressen zu haben und versorgt uns regelmässig mit Kuchen, Feigen, Kartoffeln – und Pastis. Bisher gefällt es uns hier in Arrecife gut: Die Hauptstadt ist übersichtlich und hat Charme, und das kulinarische Angebot ist ansprechend :-). Die Marina ist gut besucht, die Anlage ist sauber, die Mariñeros sind sehr nett und hilfsbereit (und sprechen sogar Englisch!!), und der Hafen bietet guten Schutz. Während ein paar Tagen erkunden wir Lanzarote mit einem Mietwagen. Wir haben das Gefühl, dass die Öffnung hier noch in den Kinderschuhen steckt. In Lagos war in touristischer Hinsicht doch schon mehr Betrieb. Wir begegnen nur wenigen Urlaubern. Kreuzfahrtschiffe, die, wie wir gehört haben, normalerweise täglich in Arrecife anlegen, gibt es auch keine. Die Hotelanlagen und Feriendörfer befinden sich (noch) im Dörnröschenschlaf, die Strassen sind wie ausgestorben. Auch bei den wichtigsten Sehenswürdigkeiten – den berühmten Werken des Architekten César Manrique sowie dem Timanfaya-Nationalpark – hält sich der Andrang in Grenzen. Einerseits profitieren wir natürlich davon, dass die Insel gerade nicht überlaufen ist. Andererseits wirkt die sowieso schon dürre, schwarze Vulkanlandschaft zurzeit etwas schwermütig auf uns. Was für uns auch neu ist: Im Eingangsbereich der meisten Läden und Museen etc. wird bei den Besuchern die Körpertemperatur gemessen und manchmal werden auch Handschuhe verteilt (in Lagos sind wir solchen Massnahmen nie begegnet). Maskenpflicht gilt in geschlossenen Räumen sowieso, und teilweise ist dies auch in offenen Anlagen der Fall, so zum Beispiel im Nationalpark. Der allgegenwärtige Wind zerrt dann nicht nur an den Sonnenhüten, sondern droht den Besuchern auch die Maske vom Gesicht zu fegen… Während wir uns weiterhin vom Nordwind den Wüstensand um die Ohren wehen lassen, wünschen wir euch nun gute Unterhaltung mit den Fotos zu unserer Überfahrt und der faszinierenden Insel Lanzarote. Bleibt gesund und geniesst den Sommer (mit oder ohne Wind), herzliche Grüsse, Thomas & Regula Als wir vor einigen Wochen unseren letzten Beitrag verfassten, galten in Portugal noch der „State of Emergency“ und eine recht strenge Ausgangssperre, die auch das Segeln untersagte. Dies hat sich inzwischen geändert. Am 2. Mai wurde aus dem „State of Emergency“ der sogenannte „State of Calamity“ und die ersten, vorsichtigen Lockerungen wurden angegangen. Inzwischen sind kleinere Geschäfte wieder offen, die Friseure dürfen ihre Arbeit verrichten und ab kommenden Montag sollen auch die Restaurants (unter gewissen Auflagen) wieder Gäste empfangen können. Und, was für uns besonders wichtig ist: Wir dürfen wieder segeln gehen! Seit dem 7. Mai ist es uns erlaubt, für Tagestörns rauszufahren; die Bedingung ist, dass wir am selben Tag vor 18.00 Uhr wieder zurück im Hafen von Lagos sind.
Diese für uns Segler historische Öffnung musste natürlich gefeiert werden! Les und Marie von BOBBY DAZZLER haben eine wunderbare Idee: Als Zeichen der Freude, Solidarität und, nicht zuletzt, als grosses Dankeschön an das ganze Marina-Personal und unser Gastland Portugal machen alle Segler, die zurzeit in der Marina von Lagos weilen, die erste, bewilligte Ausfahrt gemeinsam. 26 Boote beteiligen sich an dieser Flottillen-Ausfahrt. Als sich um 11.30 Uhr die Fussgängerbrücke über den Hafenkanal öffnet und die Boote – die meisten haben zur Feier des Tages über die Toppen geflaggt – die Leinen lösen und nacheinander den Hafen verlassen, überkommt uns ein Gänsehaut-Gefühl. Jede Crew, die die Brücke passiert, meldet den Bootsnamen über Funk an das Marina-Büro. Nach der langen Zeit hier in Lagos kennen wir diese Namen alle; auch viele der Stimmen sind uns inzwischen vertraut. Die Brücke bleibt eine knappe halbe Stunde lang geöffnet, was wahrscheinlich der längsten Brückenöffnung in der Geschichte von Lagos gleichkommt :-) Aiolos meint es gut mit uns. Draussen auf See empfängt uns ein schöner Westwind, wenn auch die Witterung etwas grau ist. Die Flaggen kommen runter, die Segel gehen hoch, und gemeinsam segelt der Pulk in Richtung Ponta de Piedade, wobei fleissig Fotos geschossen werden. Ein kleines Stück Freiheit, wieder den Fahrtwind im Haar und die Seeluft auf der Haut zu spüren – wir geniessen die Ausfahrt in vollen Zügen. Egal, welchem Boot man sich nähert: Überall lachende, zufriedene Gesichter; die Stimmung ist sehr emotional und positiv. Nachmittags ankern wir vor Meia Praia (dem schönen langen Strand östlich der Hafeneinfahrt). Zum ersten Mal gräbt sich unser neuer Ultramarine-Anker in den Grund und hält sofort. Die Wassertemperatur ist mit etwa 18 Grad zwar nicht gerade karibisch, aber Regula hüpft trotzdem kurz ins erfrischende Nass. Abends (brav vor 18 Uhr) liegen wir dann wieder an unserem üblichen Liegeplatz in der Marina de Lagos und stossen auf den wunderschönen Tag an (halt nur zu zweit, denn wir dürfen noch keine Freunde an Bord einladen; aber es ist trotzdem schön). Die gemeinsame Ausfahrt bleibt noch lange Gesprächsstoff im Hafen. Alle Segler, die an der Parade beteiligt waren, werden diesen Tag in guter Erinnerung behalten; ein Ereignis, das uns auch in Zukunft verbinden wird. Vielen Dank, Les und Marie, für die wunderbare Idee und Organisation! Wie es für uns nun weiter geht, was unsere Segelreise betrifft, ist weiterhin offen. Wir hoffen darauf, dass es demnächst möglich sein wird, Porto Santo oder Madeira anzusteuern, ohne 14 Tage in Quarantäne zu müssen. Sollte dies möglich sein, werden wir wahrscheinlich direkt von hier nach Madeira segeln und dort die Grenzöffnung für die Kanaren abwarten. Den Winter möchten wir nämlich gerne auf den Kanaren verbringen. Ob sich das so umsetzen lässt, ist aber derzeit noch völlig unklar. Sicher jedoch ist: Die Idee, für den Sommer nach Irland zu segeln, haben wir definitiv begraben. Während wir nun also der Dinge harren, die da kommen, freuen wir uns halt einfach darüber, zum Segeln hinausfahren zu können, wenn uns der Sinn danach steht, und schauen uns auch immer wieder gerne die tollen Fotos der Flottillen-Ausfahrt an. Bis demnächst, herzliche Grüsse aus Lagos von der OKOUMÉ-Crew :-) Lange ist es her seit unserem letzten Blogeintrag. Eigentlich wollten wir erst wieder von uns berichten, wenn wir wieder unterwegs sind. Um diese Zeit etwa hatten wir geplant, Lagos zu verlassen und nordwärts zu segeln, unser Ziel für den Sommer wäre Irland gewesen. Und dann kam COVID-19 und alles war anders.
Am 18. März hat Portugal den Notstand ausgerufen. Wir können den Hafen von Lagos nicht mehr verlassen und hängen hier fest. Aber: Es geht uns gut hier, keine Sorge! Thomas hat vor etwa einer Woche einen Zwischenbericht für unsere Freunde und Verwandte verfasst, in dem er beschreibt, wie es hier zu Zeiten der Pandemie so zu und her geht: Zwischenbericht 2020-03-23 Was in diesem Bericht steht, trifft auch auf die heutige Situation noch mehrheitlich zu, ausser, dass die Einschränkungen betreffend Bewegungsfreiheit noch etwas verschärft wurden. Man darf nun nicht mehr an den Strand gehen und auch nicht am Fluss entlang spazieren. Regula muss sich also eine neue Jogging-Route ausdenken. Wenn es weiter nichts ist… Wir hoffen jedenfalls, dass wir hier in Lagos bleiben können, bis sich die Lage wieder beruhigt. Wir haben das grosse Glück, dass dieser Hafen bestens geschützt ist (sowohl im Sommer als auch im Winter) und wir keinen Druck haben, aus Sicherheitsgründen hier wegzumüssen, wie zum Beispiel die vielen Segler in der Karibik, wo die Hurrikan-Saison vor der Türe steht. Unser einziges Problem ist, dass hier im Sommer die Preise für die Liegeplätze in die Höhe schnellen. Die Marina hat aber bereits zugesichert, dass man uns preislich entgegenkommen würde, sollten wir wirklich den ganzen Sommer über hier „eingeschlossen“ sein. Ihr seht also, bei uns ist alles in Ordnung, und wir hoffen, dass es euch allen auch gut geht. Wir versuchen, die Sache so positiv wie möglich zu sehen. Unser Mobilitätswahnsinn ist für einmal gebremst, unser Planet erhält eine Verschnaufpause. Trotzdem freuen wir uns aber auch darauf, irgendwann auf unserem Boot wieder Besuch zu empfangen, mit Freunden ganz ungezwungen zusammenzusitzen und sich auch einmal wieder umarmen zu können. Und irgendwann wieder die Segel zu setzen. Bis zum nächsten Bericht, bleibt gesund, Thomas & Regula P.S. Die Ruderanlage unserer OKOUMÉ haben wir anfangs Februar kontrolliert – und konnten keinen Schaden feststellen! Wir haben die neuen Lager eingesetzt, alles gereinigt und mit etwas Silikon-Öl gefettet. Das Ruder sitzt nun perfekt und hat gar kein Spiel mehr. Beim Probesegeln hat auch alles bestens geklappt. Sobald wir dann einmal wieder in gröberer See unterwegs sein werden, wird sich zeigen, ob das Klicken nun Geschichte ist oder ob wir uns definitiv mit dem gespenstischen Geräusch werden anfreunden müssen ;-) Aber vom Segeln können wir momentan ja sowieso nur träumen… P.P.S. Apropos segeln: Unser Bericht über den Hafen von Velas (auf der Azoreninsel São Jorge) ist nun online auf blauwasser.de. Falls ihr Lust habt, trotz Corona von neuen Ufern zu träumen, könnt ihr hier wenigstens virtuell zu den Azoren reisen: Hafenbericht Velas P.P.P.S. Und hier noch ein paar wenige Fotos aus der Algarve: Ein regnerischer Dezemberabend in Lagos: Wir sitzen im „A Barrigada“, einem unserer Lieblingsrestaurants in der Gegend. Dieses Mal sind wir mit Regulas Bruder Christian hier, der uns für ein paar Tage an Bord besucht. Wir freuen uns auf den typisch portugiesischen Fisch vom Grill, die Knoblauchkartoffeln, den frischen Gurken-Tomatensalat. Und natürlich auf eine gute Flasche Wein. Wie in allen portugiesischen Restaurants läuft im Hintergrund der Fernseher. Normalerweise wird etwas Unverfängliches gezeigt, zum Beispiel Fussball oder der Wetterbericht; niemand schenkt dem Bildschirm Beachtung, alle widmen sich dem feinen Essen und geniessen das Zusammensein zu Tisch. Den Portugiesen wird das Ignorieren des Fernsehers im Restaurant scheinbar in die Wiege gelegt, und auch wir haben uns mittlerweile angewöhnt, uns vom Bewegtbild beim Essen nicht mehr ablenken zu lassen.
Doch dieses Mal ist es anders: Man hat das Programm gewechselt. Kein Sport, kein Wetter. Jetzt läuft ein amerikanischer Kanal mit Tiersendungen und portugiesischem Untertitel. Anstelle von Ronaldo in Siegerposen schleicht nun ein hungriger Löwe durch die Steppe. Anstatt einer hübschen Meteo-Moderatorin züngelt nun eine hochgiftige Schlange über den Bildschirm. Man serviert uns die Vorspeise: Oktopus-Salat mit Oliven. Im TV macht sich der Löwe über ein Zebra her. Das Blut spritzt, das Zebra zuckt. Wir stossen mit einem guten Glas Wein aus dem Dão-Gebiet auf einen schönen Abend an. Die Schlange würgt gerade eine grosse Maus herunter. Als der Hauptgang kommt, hat die Sendung gewechselt. Jetzt ist eine Doku-Soap über einen Tierarzt an der Reihe. Während wir den Fisch auf unserem Teller auseinandernehmen, wird im Fernseher ein Hund kastriert. Wir zupfen die Gräte aus dem Fisch. Der Tierarzt zieht mit einem Traktor ein Kalb aus einer Kuh. Wir schöpfen uns Kartoffeln und Salat. Sowohl das Kalb als auch die Kuh haben die Geburt überlebt. Wir versuchen alles, um uns von den Bildern im Fernseher abzulenken. Wir plaudern, konzentrieren uns auf das Essen, besinnen uns auf unsere Geschmacksnerven, beobachten die anderen Gäste. Aber diese Sendung ist einfach zu viel. Im „A Barrigada“ gibt es zwei grosse Bildschirme im Hauptteil des Lokals, und einen kleineren im Eingangsbereich. Wohin man auch guckt: Man kann sich dem doch recht gewöhnungsbedürftigen Fernsehprogramm nicht entziehen. Sogar ein Blick aus dem Fenster bringt nichts, denn es ist schon dunkel und auch in der Spiegelung sieht man noch deutlich genug, dass der abgebrühte Tierarzt gerade eine Katze aufschneidet… Als das Dessert kommt, sind wir fix und foxi. Inzwischen waren wir noch zwei weitere Male im „A Barrigada“. In der Hoffnung, die Restaurantleitung hätte die Programmwahl inzwischen überdacht, besuchten wir das Lokal nochmals Ende Dezember, zusammen mit unseren Freunden Gabi und Horst von der ALUA, die ein paar Tage in Lagos Ferien machten. Und siehe da, man hatte wieder auf Fussball umgestellt. Alles gut, dachten wir. Doch als wir dann anfangs Januar mit Thomas‘ Tochter Melanie und ihrem Freund Pascal, die uns über Neujahr an Bord besuchten, im „A Barrigada“ essen gingen, mussten wir feststellen, dass man wieder auf den Tierkanal umgestellt hatte… Im „A Barrigada“ gibt es den Winter über in regelmässigen Abständen „Fado-Abende“. Schon letzten Winter hatten wir diese Abende sehr genossen; die tragende Musik, der kraftvolle, berührende Gesang und die ganze Atmosphäre hatten es uns sehr angetan. Nächsten Samstag findet wieder so ein „Fado-Abend“ statt und wir haben einen Tisch für 8 Personen reserviert. Wir freuen uns schon sehr auf den Abend mit befreundeten Seglern (es kann lustig werden, denn es wird eine Mischung von Franzosen, Schweden, Engländern und Schweizern am Tisch zusammen kommen) und sind gespannt, welches TV-Programm man uns für diesen traditionellen Musik-Abend vorsetzen wird ;-) Ansonsten ist es hier im winterlichen Lagos sehr ruhig geworden. Die grossen Touristenmassen bleiben aus, das Leben in der Stadt und im Hafen geht seinen gemächlichen Gang. Es ist auch kühl geworden, nachts fallen die Temperaturen öfters auf unter 5 Grad. So machen wir abends jeweils den kleinen Ölradiator an (oder, wenn es schnell gehen muss, auch mal die festverbaute Dieselheizung), stecken die Füsse in dicke Socken (zumindest Regula) und träumen von der nächsten Segelsaison (momentan schwebt uns als Sommerziel Südirland vor) oder schauen auf die vielen wunderbaren Erlebnisse der bisherigen Reise zurück. Gerne denken wir auch an unsere Überfahrt von den Azoren nach Lagos im September zurück, aus der wir einige Schlüsse gezogen haben, die uns für unsere kommenden Törns Aufwind geben. Diese Einsichten sind keine weltbewegenden Neuerfindungen, sondern allseits bekannte Grundsätze, die man sicherlich auch in verschiedenen Handbüchern findet. Nichtsdestotrotz ist es eine andere Sache, von diesen Dingen nur zu lesen, oder sie in der Praxis zu erleben und herauszufinden, inwiefern sie für einen selber hilfreich sind. Die – für uns – wichtigsten Punkte sind die folgenden: ○ Gute Vorbereitung bringt Ruhe In Ponta Delgada warteten wir lange auf ein Wetterfenster für den Sprung ans Festland. Dies hatte auch etwas Gutes: Wir hatten viel Zeit uns auf die Überfahrt vorzubereiten. Ganz in Ruhe konnten wir alle Vorkehrungen treffen, alles war bestens verstaut und verzurrt, sowohl an als auch unter Deck, wir hatten für mehrere Tage vorgekocht und Fleisch eingemacht, für die Nachtwachen lag alles bereit (auch die langen Unterhosen!), alle Hilfsmittel an Bord waren erprobt und funktionstüchtig, die Familie zuhause über unsere Abfahrt informiert. So „aufgeräumt“ und ganz in Ruhe abzulegen, hilft auch mental; ein guter Start in einen, hoffentlich, guten Törn. ○ Gute Wetterdaten unterwegs sinnvoll nutzen Wir haben an Bord ein Satellitentelefon (Iridium). Mit Hilfe dieses Satellitentelefons können wir auch auf hoher See auf Wetterdaten zugreifen und sogenannte „GRIB-Files“ herunterladen (Wetterinformationen in grafischer Darstellung; wir verwenden hierzu die Software von „Mailasail“ und den Datenfilter über die sogenannte „Redbox“, www.mailasail.com/Communication/Red-Box). Für den Törn von den Azoren nach Portugal hat sich dieses System bestens bewährt, denn in diesen Breiten ist das Wetter oft wechselhaft und ändert von Tag zu Tag. Das Herunterladen von Wetterdaten unterwegs erlaubt es uns, unsere Route entsprechend anzupassen und, zum Beispiel, Stürmen weitmöglichst auszuweichen. Die Vorhersagen waren jeweils auf 48 Stunden hinaus sehr genau. Einmal lagen wir beigedreht, um den Durchzug einer Front abzuwarten; die Vorhersage des Frontdurchlaufs stimmte perfekt, der Wind drehte quasi auf die Minute genau von Südwest auf Nordnordwest! ○ Auf eigenen Erfahrungen aufbauen Das Interpretieren der Wetterdaten braucht etwas Übung. Hat man einmal seine Erfahrungen gemacht, sollte man auf diese vertrauen und sich keinen Spekulationen hingeben, die einen nur verunsichern. So ist es uns, zumindest, auf dem Törn von den Azoren nach Portugal ergangen: Eines Tages erhielten wir von einer befreundeten Crew, die ebenfalls nach Portugal unterwegs war, eine Wetterwarnung (über das Satellitentelefon haben wir die Möglichkeit, auch auf hoher See mit anderen Crews in Kontakt zu sein, wenn diese ebenfalls ein Satellitentelefon haben; dies kann Sinn machen – wenn man gleichzeitig unterwegs ist, kann man zum Beispiel verabreden, täglich via SMS die Positionen auszutauschen). Der Inhalt der Nachricht war in etwa folgender: „Strong winds forecast for Saturday/Sunday. Will you be in the harbour by then? Take care.” Aufgrund der „GRIB-Files“ wussten wir schon, dass ein Sturmtief heranzog. Gemäss den Vorhersagen, die uns vorlagen, sollten sich die Windstärken in den Breiten, die wir ansteuerten (am südlichen Rand des herannahenden Tiefs), jedoch relativ im Rahmen halten. Die SMS verunsicherte uns aber nun. Hatten wir etwas übersehen? Waren unsere Prognosen nicht korrekt? Wir wussten, dass die verschiedenen Wettervorhersage-Modelle oft weit auseinander lagen, was die längerfristigen Vorhersagen anging. Die Warnung unserer Freunde war gut gemeint, wir konnten damit aber nicht viel anfangen, denn sie warf viele Fragen auf. Unsere Freunde befanden sich zu der Zeit gut 200 nautische Meilen nordwestlich von uns. Hatten sie bei der Warnung an unsere Position gedacht, galt die Warnung auch für den Bereich, den wir in ein paar Tage erreichen würden? Woher stammten ihre Informationen genau? Fragen, die mittels Kurznachricht kaum zu erörtern sind. Die Kommunikation mittels Satellitentelefon hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist sicherlich, dass es einfach gut tut, von anderen zu hören. Ein positives Wort, ein kurzer Gruss in einer SMS und man ist nicht mehr so alleine auf der weiten See. Andererseits kann man sich nur knapp austauschen und der Austausch findet oft auch nur verzögert statt (manche Crews stellen ihr Satellitentelefon nur einmal täglich an). Zu viele Informationen können manchmal auch hinderlich sein! Sie werfen oft mehr Fragen auf, als sie beantworten. Für uns wäre es im beschriebenen Fall besser gewesen, auf unsere eigenen Wetterdaten zu vertrauen und mit den Informationen zu arbeiten, die wir wirklich einordnen konnten. Alles andere war Spekulation. Wie sich später zeigte, stimmten unsere GRIB-Daten sehr genau. Es war sicherlich gut, wachsam zu sein und sich auf schlechtes Wetter vorzubereiten. Die grosse Aufregung und Verunsicherung war aber umsonst gewesen. ○ Ängsten möglichst rational begegnen Ich (Regula) habe Angst vor Gewittern. Gewitter gehen oft mit einem Frontdurchlauf einher. Als klar wurde, dass uns im zweiten Teil der Überfahrt eine Front treffen würde, kostete es mich grosse Überwindung, dies hinzunehmen. Im Geist sah ich schon die Blitze in unseren Mast einschlagen. Als die Front dann da war, brachte sie zwar Wind und viel Regen (und eine unangenehme Kreuzsee), aber keine Gewitter. Ich hätte mir die Aufregung also sparen können. Konzentration und eine gewisse Anspannung sind sicherlich nicht falsch, Angst vor dem, was kommen könnte, hilft einem aber nicht weiter. Mit Abstand betrachtet, ist es natürlich einfacher, dies so zu sehen ;-) Auf See wird es für mich wohl immer eine gewisse Überwindung darstellen, die Ungewissheit darüber, wie der Törn tatsächlich verlaufen wird, anzunehmen. Je länger der Törn, umso grösser die Überwindung. ○ Gutes Bauchgefühl an Bord Unsere OKOUMÉ hat sich in den unterschiedlichsten Situationen, denen wir auf diesem Törn begegneten, bewährt. Sie gibt uns ein sicheres Gefühl, ihr Verhalten ist vertrauenserweckend, sie läuft sehr kursstabil. Unser Boot ist auf jeden Fall stärker als wir und hält viel mehr aus. Wenn wir unter Deck gehen, erfüllt uns, auch bei rauen Bedingungen, ein Gefühl der Ruhe und Geborgenheit. Wir vertrauen auch unserem Autopiloten (Raymarine). Sollte dieser doch einmal ausfallen, haben wir auch eine Windsteueranlage, die rein mechanisch (also ohne Strom) funktioniert. Schlafmangel ist der ärgste Feind einer kleinen Crew. Wenn wir müde sind, wissen wir, dass unser Boot auch unter Autopilot bestens läuft. ○ Gegenseitiges Vertrauen Wir vertrauen einander. Wenn der eine auf Wache ist, kann der andere beruhigt schlafen (wenn es die Bedingungen zulassen ;-)). Wir halten uns an die ausgemachten Regeln. Zum Beispiel sind wir nachts auch im Cockpit stets angeleint. Wir verlassen das Cockpit nicht, ohne den anderen zu wecken. Und wir wissen und vertrauen darauf, dass sich beide an diesen Grundsatz halten und keine Dummheiten machen. ○ Man übe sich in Geduld Auch nach vielen Törns noch immer keine einfache Sache. Wenn der Wind ausbleibt oder von vorne kommt, oder der Seegang einen nicht schlafen lässt etc., ist es nicht leicht, gelassen zu bleiben. Aber sich aufzuregen, bringt nichts. Die Natur gibt den Takt an, und wir müssen uns nach ihr richten, eine Erfahrung, die eigentlich sehr wohltuend ist (zumindest im Nachhinein). Also: Wenn man unterwegs (trotz gesetztem Gennaker) von einer Schildkröte überholt wird, sollte man dem Impuls, im nächsten Hafen sein Boot verkaufen zu wollen, nicht nachgeben. Übrigens: In unserem letzten Beitrag haben wir ja vom „Klicken“ in unserer Ruderanlage berichtet. Inzwischen sind die Ersatzteile eingetroffen. Am 3. Februar ist der Krantermin bei Sopromar (der nahen Werft) und wir sind gespannt, was beim Ausbau des Ruders ans Tageslicht kommen wird (und ob überhaupt ein Schaden sichtbar ist). Wir werden euch auf dem Laufenden halten und danken an dieser Stelle nochmals allen, die uns in Sachen Ruder eine Rückmeldung gegeben haben. Wir waren überrascht, zu hören, dass offenbar vielen Seglern ein merkwürdiges Geräusch in der Ruderanlage nicht fremd ist. Es war für uns auch interessant, zu erfahren, dass einige von euch die Ursache des Geräuschs ausmachen und die Sache in Ordnung bringen konnten, während andere einfach nichts fanden, und mit dem „Klicken“ leben müssen (am besten gefallen hat uns der Tipp, die Wollmütze über die Ohren zu ziehen – und weiter geht’s!). Wir werden sehen, zu welcher „Klick“-Gruppe wir gehören werden. Bis zum nächsten Beitrag, liäbi Grüess us Lagos und vill Spass bi de folgende Föteli, Thomas & Regula Als wir vor knapp 10 Jahren mit der BALU auf Reisen gingen, waren wir recht zügig unterwegs. Damals waren wir von der Ostsee der Küste Westeuropas entlang nach Portugal und von dort über Madeira und die Kanaren in die Karibik gesegelt, und über Kuba, Florida, Bermuda und die Azoren schliesslich wieder in die Ostsee zurückgekehrt, und das alles in zweieinhalb Jahren. Nun, bei unserer zweiten grossen „Auszeit“ unter Segeln, sind auch schon eineinhalb Jahre vergangen – und wir sind noch immer in Europa! Das soll nicht heissen, dass uns das unter Druck setzen würde. Damals wie heute war das gewählte Reisetempo für uns richtig gewesen. Damals war es für uns stimmig gewesen, Europa nach relativ kurzer Zeit hinter uns zu lassen und gleich in die Karibik weiter zu segeln. Bei unserem jetzigen Törn ist es uns jedoch wichtig, etwas langsamer unterwegs zu sein. Wir wollen auch Europa genügend Zeit widmen. Wir möchten die Ziele nicht nur einfach „abfahren“, sondern wirklich auch etwas von ihnen sehen, etwas über sie erfahren. Wenn uns ein Ort gefällt, bleiben wir etwas länger und versuchen, ein Gespür für den Lebensrhythmus vor Ort zu bekommen, herauszufinden, was die Menschen dort bewegt und was ihr Leben prägt, ob diese Art zu leben uns anspricht, aber auch, welche Schattenseiten es gibt, und ob uns etwas an diesem Ort befremdet. Zum einen machen wir dies so, weil diese Art zu reisen uns einfach entspricht. Zum anderen, weil wir auf der Suche sind nach dem „Klick“ – dem „Klick“ der einem sagt: Hier könntest du dir vorstellen eine Zeitlang zu leben und etwas aufzubauen. Das unterscheidet unsere jetzige Reise von der damaligen: Als wir damals mit der BALU in See stachen, wussten wir, dass wir wieder in die Schweiz zurückkehren würden. Dieses Mal ist es anders. Jetzt, unterwegs mit unserer OKOUMÉ, ist das „Ende“ der Reise offen. Wir könnten uns auch vorstellen, uns irgendwo im Ausland niederzulassen; eine Rückkehr in die Schweiz ist für uns nicht mehr zwingend. Unser Blick auf die bereisten Ziele ist nun daher ein ganz anderer als damals. Jedoch: Auch wenn wir bisher viele schöne Orte angesteuert haben – so richtig klick gemacht hat es noch nicht. Die Azoren haben uns zwar gut gefallen, und auch die Blumeninsel Madeira und, vor allem, ihre kleine Nachbarin Porto Santo hatten es uns angetan. Auch hier in Lagos, im Süden Portugals, wo wir nun schon den zweiten Winter an Bord verbringen, fühlen wir uns sehr wohl. Aber wirklich hier zu leben, uns an einem der genannten Orte niederzulassen, können wir uns (noch?) nicht vorstellen. Es fehlt, eben, noch der „Klick“. Vielleicht ist es für den „Klick“ auch einfach noch zu früh. Vielleicht sind wir mental noch zu sehr im Reisemodus, vielleicht locken noch zu viele Ziele? (Übrigens: Das Thema Reisetempo ist unter Seglern immer ein Gegenstand von Diskussionen. Als wir kürzlich von einem Seglerpaar zum Abendessen eingeladen wurden und von unserer bisherigen Reiseroute erzählten, meinten unsere sympathischen Gastgeber, da seien wir aber flott unterwegs gewesen. Sie hätten für die gleiche Route 20 Jahre gebraucht. Wie schön, dass das Zeitempfinden etwas so Relatives ist!) Der „Klick“ ist bei uns also noch ausgeblieben, was die bisher besuchten Orte angeht. An Bord der OKOUMÉ haben wir ihn aber schon länger. Und zwar wohnt er irgendwo in der Ruderanlage und macht sich immer bei achterlichem Wind und einer gewissen Wellenhöhe bemerkbar. Das erste Mal hörten wir das Geräusch, als wir vor gut einem Jahr das Kap São Vicente im Südwesten Portugals rundeten. Deutlich, wenn anfangs auch nur leise, war ein Klicken zu vernehmen, das aus dem Bereich des Ruderschafts zu stammen schien. Weil das Geräusch bei den darauffolgenden Törns kaum mehr auftrat, kümmerten wir uns nicht mehr darum. Als wir dann aber von den Azoren nach Portugal zurücksegelten, tauchte es wieder auf und begleitete uns tagelang. Es fing an uns zu beunruhigen. (Wahrscheinlich war das Geräusch zeitweise verstummt, weil wir quasi den ganzen Sommer über Winde von vorne hatten und kreuzen mussten; erst bei der Überfahrt von den Azoren nach Portugal trafen wir wieder auf achterliche Winde und das Klicken war wieder da.) So gut es ging, kontrollierten wir die Ruderanlage auf See, konnten die Ursache des Geräusches aber nicht ausmachen. Kurz nach unserer Ankunft in Lagos Ende September machten wir uns dann erneut auf die Suche nach dem „Klick“. Unser Freund Bernard, der früher als Segellehrer arbeitete und viel von Booten versteht, half uns dabei, mit viel Geduld und Enthusiasmus (danke, Bernard!). Wir kontrollierten nochmals Punkt für Punkt, was es zu kontrollieren gab, konnten aber nichts Aussergewöhnliches feststellen. Glücklicherweise ist die Ruderanlage auf unserer RM über die Backskisten und den offen gestalteten Technikraum gut zugänglich. Natürlich haben wir die Sache auch Fora Marine (der Werft in Frankreich, die unser Boot gebaut hat) gemeldet. Inzwischen sind schon zweieinhalb Monate ins Land gezogen und um die 20 E-Mails (auf Französisch) hin und her gegangen und wir sind noch keinen Schritt weiter. Einerseits hat sich die Angelegenheit in die Länge gezogen, weil es immer sehr lange dauert, bis wir auf unsere Anfragen eine Antwort erhalten und ständig nachhaken müssen, andererseits, weil es auch das eine oder andere Missverständnis gab, da Französisch nun mal nicht unsere Muttersprache ist (oder weil die Werft uns nicht verstehen wollte, da es um eine Garantie-Angelegenheit geht, wenn es tatsächlich einen Schaden an der Ruderanlage geben sollte – unser Boot ist erst zwei Jahre alt). Wir lieben unser Boot, aber die Kommunikation mit der After-Sales-Abteilung der Werft braucht wirklich Nerven! Der Stand ist momentan: Wir möchten die OKOUMÉ diesen Winter aus dem Wasser nehmen und das Ruder ausbauen, um die Lager zu kontrollieren und, falls nötig, zu ersetzen. Wir müssen dies auf unsere eigenen Kosten tun, so die Werft. Erst, wenn wir dabei tatsächlich einen Schaden feststellen, können wir einen Garantieantrag stellen; welcher Betrag uns dann rückerstattet wird (ob nur der Betrag über die benötigten Ersatzteile oder ob auch die vorgenommene Arbeit abgegolten wird), ist völlig offen. Bevor wir mit Sopromar (einer nahegelegenen Werft) einen Krantermin vereinbaren, wollen wir aber die entsprechenden Ersatzteile sicherheitshalber schon da haben, denn wir haben wirklich keine Lust, wochenlang auf dem Trockenen zu bleiben und auf allfällige Ersatzteile warten zu müssen. Die Rechnung für den Liegeplatz im Wasser ist schon bis Ende März beglichen und für den Platz auf dem Trockenen müssten wir extra bezahlen. Und die Aussicht, wochenlang auf dem an Land aufgebockten Boot zu wohnen, reizt uns auch nicht sonderlich. Für die Bestellung der Ersatzteile hat uns Fora Marine letztendlich direkt an den Hersteller der Ruderanlage (JP3) verwiesen. Leider scheint der zuständige Herr dort ebenfalls eine tiefe Abneigung gegen das Schreiben von E-Mails zu hegen, denn wir warten bereits wieder über eine Woche auf die Bestellbestätigung… Wir versuchen, der Sache mit Humor zu begegnen und fragen uns bisweilen, ob in Frankreich nicht nur die Bahn, sondern auch die ganze Bootsindustrie in den Streik getreten ist. Aber eigentlich ist uns das Lachen vergangen. Von der Werft fühlen wir uns alleingelassen und auch schlecht behandelt, denn in einer der letzten E-Mails hat die Werft einen auffallend scharfen Ton angeschlagen, der, in unseren Augen, Kunden gegenüber völlig unangebracht ist. Da Französisch für uns eine Fremdsprache ist, haben wir die E-Mail französischen Freunden gezeigt, die uns diese Empfindung bestätigt haben. Aber genug gemeckert! Ansonsten können wir uns wirklich nicht beklagen. Wir sind gut in unserem „Winterlager“ hier in Lagos angekommen. Wir geniessen den perfekt geschützten Liegeplatz, das charmante Dorf und die tolle Seglergemeinschaft in der Marina. Was uns am Überwintern hier in Lagos so gut gefällt, haben wir ja schon in unseren Beiträgen vom letzten Jahr (Dez, Jan, Feb 18/19) beschrieben. Wenn wir nicht gerade wandern, Ausflüge unternehmen, Besuch aus der Schweiz empfangen, mit den Bootsnachbarn plaudern, Musik machen, lesen, Radio hören, kochen, waschen, putzen, das Boot auslüften und entfeuchten, Freunde einladen, auf den Wochenmarkt gehen, oder am Boot arbeiten – und wenn wir mal nicht auf der Suche nach dem „Klick“ sind –, widmen wir uns unseren neuen „Projekten“ oder auch Träumereien. Regula träumt zum Beispiel davon, einmal ein Buch mit nautischen Kurzgeschichten herauszugeben und vertieft sich ab und zu in ihre Notizhefter oder verschanzt sich hinter dem Computer (bis jemand auf einen spontanen Schwatz vorbeischaut oder sie sich von dem Gedanken ablenken lässt, dass das Wetter zu schön sei um vor dem Bildschirm zu sitzen). Thomas hegt ganz andere Sehnsüchte. Er träumt zum Beispiel von einem Boot mit Bodenheizung. Oder von einem grossen Subwoofer zur Vervollständigung der Musikanlange an Bord der OKOUMÉ (und sieht sich schon unter dem vorwurfsvollen Blick Regulas ein bedenklich grosses Loch in die Innenabdeckung fräsen). Einen satten Bass toppen könnte in Thomas‘ Augen nur noch ein Edelstahlanker der Marke ULTRA. Seit Neuestem liegt eine Auswahl an Ankern dieser verheissungsvollen Marke im Empfangsbereich von Sopromar aus (der nahen Werft mit Schiffsausrüster). Weil diese Anker nicht nur in Sachen Haltekraft und Design das Nonplus-ULTRA sind, sondern eindeutig auch was den Preis betrifft, muss Regula Thomas regelmässig am Hemdzipfel an den Prachtstücken vorbei aus dem Laden zerren, bevor er der Versuchung erliegt… In unserem letzten Bericht hatten wir ja versprochen, nochmals auf unsere Überfahrt von den Azoren nach Portugal zurückzukommen und zusammenzufassen, was wir daraus gelernt hatten. Wegen des „Klicks“ ist dieser Eintrag nun ganz anders ausgefallen. Vielleicht haben wir auch zu viel Tristram Shandy gehört (es gibt eine deutsche Hörspielfassung, die wir uns manchmal, in besonders dunklen Winternächten, zu Gemüte führen; wir sind inzwischen bei Folge 5 von 9 angelangt). Für alle, die Tristram Shandy nicht kennen: Tristram Shandy ist eine Figur des Autors Laurence Sterne, der im 18. Jahrhundert gelebt hat. In Sternes Buch versucht Tristram seine Lebensgeschichte aufzuschreiben, verzettelt sich aber ständig und schweift immerzu in Nebensächlichkeiten ab, so dass er es nicht einmal schafft, im ersten Band seiner Autobiographie seine eigene Geburt zu beschreiben… Für einmal nehmen wir uns also Tristram zum Vorbild und verschieben die versprochene Zusammenfassung auf das nächste Mal ;-) Inzwischen wünschen wir allen eine frohe und ruhige Weihnachtszeit, und einen nicht allzu grauen Winter :-) Ende August 2019. Wir liegen in der Marina Ponta Delgada auf der Azoreninsel São Miguel. Langsam wird es Zeit für uns, die Azoren zu verlassen und zurück ans Festland zu segeln. Mit dem Herbst kommen die Tiefdruckgebiete und Sturmtiefs Richtung Azoren, die wir nach Möglichkeit vermeiden möchten. Unser Ziel ist Lagos oder irgendein anderer Hafen an der portugiesischen Küste – je nachdem, mit welchen Winden wir es unterwegs zu tun bekommen.
Wir sind mit unserem Plan nicht allein. In der Marina von Ponta Delgada liegen noch einige andere Segelboote, deren Crews ebenfalls in den Startlöchern sind und entweder, wie wir, nach Portugal oder dann nach Madeira segeln wollen. Und uns allen geht es gleich: Wir sind bereit – aber das Wetter macht uns einen Strich durch die schöne Rechnung. Das Azorenhoch hat sich nordöstlich der Inseln etabliert und sorgt auf unserer Route für stabile Ost- bis Nordost-Winde. Bei dieser Wetterlage könnten wir hart am Wind vielleicht gerade mal Madeira erreichen – wenn überhaupt. Das Hoch macht keinen Wank! Täglich konsultieren wir die Wettervorhersagen und jedes Mal zeigt sich das gleiche Bild: Starkwind aus Ost-bis Nordost für die nächsten 10 Tage… Morgen auf Morgen folgt das gleiche Ritual. Wir treffen uns mit den anderen Seglern auf dem Steg und besprechen die neuesten Wetterdaten, nur um immer zum gleichen Schluss zu kommen: „Il y a rien – no weather window for the next 10 days!“. Wir fühlen uns schon wie im Film „Und täglich grüsst das Murmeltier“. Vielleicht wird sich das Wetter nie mehr ändern und wir verbringen den Rest unseres Lebens im Hafen von Ponta Delgada. Und jeden Morgen empfängt einen derselbe Spruch auf dem Steg: „Hast du den neuen Wetterbericht schon gesehen?“ Bis sich dann doch noch etwas an der Wetterlage ändert, vergehen ganze drei Wochen. Drei Wochen, in denen wir uns in Geduld üben und uns im schwelligen Hafen von Ponta Delgada durchschaukeln lassen. Drei Wochen – die trotzdem einfach toll sind! Geteiltes Leid, ist halbes Leid; immer wieder sitzen wir mit den anderen Crews bei einem Kaffee oder einem Glas Wein zusammen und verbringen entspannte und gesellige Abende im Cockpit, mal auf diesem Schiff, mal auf jenem. Zudem haben wir auch noch Zeit, Ausflüge mit Freunden von uns zu unternehmen, die auf São Miguel ein Ferienhaus besitzen. Wir geniessen die Zeit mit ihnen sehr, und so vergehen die drei Wochen schliesslich im Handumdrehen. Am 15. September 2019 heisst es dann „Leinen los“. Vor uns liegen knapp 900 nautische Meilen und eine gute Woche auf See... Zusammen mit den englischen Booten ERICA und PAVO legen wir von Ponta Delgada ab. Die französische SAMIRENA hat eine gute Stunde Vorsprung. PAVO und SAMIRENA wollen nach Lagos, ERICA hat Porto zum Ziel. Die Boote sind sehr unterschiedlich was die Segeleigenschaften angeht und nach ein paar Stunden haben wir uns bereits aus den Augen verloren. Mit SAMIRENA tauschen wir jedoch täglich mittels einer Kurznachricht über das Satellitentelefon unsere jeweiligen Positionen aus. Die ersten beiden Tage auf See verlaufen recht ruhig, die Bootsbewegungen halten sich im Rahmen und wir kommen schnell in den Rhythmus des Bordlebens unterwegs. Der Wind weht nur sehr schwach und hat leider meist einen östlichen Einschlag. Wir wechseln ab zwischen Segeln am Wind und langsamer Fahrt unter Motor. Sinnlos herumtrödeln möchten wir aber auch nicht, denn wir wollen genügend Abstand zwischen uns und das Tief bringen, das in zwei Tagen die Azoren erreichen und dann nordwärts drehen soll. An den ersten beiden Abenden frischt der Wind etwas auf und kommt direkt aus Osten, also genau von vorne (what else!!). Nach ein paar Stunden ist der Spuk jedoch wieder vorbei und wir können unseren Kurs Richtung Lagos – mehr oder weniger – halten. Am dritten Tag schläft der Wind vollkommen ein und auch die See beruhigt sich immer mehr. Ab und zu geht ein kleines Lüftchen (1-5 Knoten Wind). Wir packen den asymmetrischen Spinnaker aus und geben alles, trimmen, zupfen an den Leinen, ändern den Kurs, stehen auf dem Deck und pusten in das schlaff herabhängende Ballonsegel… und machen gerademal zwischen 0 und 2 Knoten Fahrt. Als uns schliesslich eine Schildkröte in Luv überholt, holen wir den Spi wieder ein, und merken, dass wir ohne das grosse Leichtwindsegel noch immer die gleiche „Fahrt“ machen – wir bewegen uns nicht wegen des Winds, sondern treiben einfach in einer leichten Strömung! Auch die Nachtwachen sind bisher ruhig verlaufen. Regula kann inzwischen das Sonnet Nummer 23 von Shakespeare auswendig und Thomas vertreibt sich die Zeit mit der Beobachtung von Sternschnuppen und dem Aufgang des Vollmonds. In unseren Freiwachen können wir beide gut schlafen. Am Morgen des vierten Tags auf See erhalten wir, wie jeden Morgen, eine SMS von SAMIRENA auf dem Satellitentelefon. Als wir die Position der beiden Franzosen mit der unsrigen vergleichen, stellen wir erstaunt fest, dass sich die beiden Boote in unmittelbarer Nähe befinden. Wir rufen die SAMIRENA über Funk – und erreichen sie tatsächlich! Später sehen wir gar das kleine, weisse Dreieck ihres Segels am Horizont. Es ist einfach grossartig und schön, sich mitten auf dem Atlantik zu begegnen! Am Nachmittag ist das Segel achteraus am Horizont verschwunden. Die Wettervorhersage ist leider etwas weniger schön: Wir erwarten den Durchzug von zwei Fronten. Eine erste, recht schwache soll uns noch am gleichen Tag erreichen. Eine zweite, wohl sehr aktive, wird für Freitag oder Samstag (unseren 6. und 7. Tag auf See) vorhergesagt. Sie ist Teil eines Sturmtiefs, dessen Zugbahn erstaunlich weit südlich im Atlantik liegt. Das Tief zieht in Richtung portugiesische Küste… Regula ist sehr beunruhigt. Ihre Angst vor Gewittern macht sich Raum, denn Fronten von Tiefdruckgebieten gehen oft mit Gewitterzellen einher. Auf dem Computer sehen die Wetterfiles zudem furchterregend aus. Thomas beruhigt. Gemeinsam schauen wir uns die Wetterdaten nochmals differenziert an und entscheiden uns, ab sofort möglichst südwärts zu halten. Dann sollten wir den stärksten Winden entgehen können. Natürlich frischt nun der angesagte Wind aus Süden langsam auf. Hart am Wind segeln wir in die Nacht – Kurs Südost. In der Nacht zum fünften Tag auf See dreht der Wind wieder auf Ost-Südost und bläst uns mit 20 Knoten direkt auf die Nase. Wir sind verwirrt, denn das war nicht vorhergesagt! Es regnet in Strömen, die Sicht ist minimal. Wir liegen beide im Cockpit auf dem Boden, im Schutz der Sprayhood, auf die der Regen prasselt, und segeln ins Nirgendwo, scheinbar gefangen in einer unfreundlichen, grauen Welt – ob sie uns jemals wieder frei gibt? Am Vormittag dreht der Wind dann endlich auf Südwest (und später auf West), die Wolken reissen auf und wir machen bei 5 bis 6 Beaufort flotte Fahrt. Der neue Wetterbericht hat den Starkwind für Freitag/Samstag etwas zurückgenommen. Gemäss den neuen Daten ist zudem der Wind weiter südlich nicht weniger stark als auf unserer jetzigen Breite. Es lohnt sich also nicht, noch weiter südlich zu fahren, und wir nehmen direkt Kurs auf das Kap São Vicente an der Südwestküste Portugals. Am Abend sucht ein kleiner Vogel Zuflucht in unserem Cockpit. Er ist wirklich winzig, ein kleiner flauschiger Ball, der sich erst unter der Sprayhood ausruht und sich dann daran macht, das Bootsinnere zu entdecken und wild herumflatternd für Aufregung unter der Crew sorgt. Wir füttern den kleinen Wicht mit Knäckebrot-„Brösmeli“ und richten ihm in einem Hut ein kleines Nest. Nach ein paar Stunden ist er verschwunden. Was macht ein so kleiner Vogel hier draussen auf dem Atlantik, mehrere hundert Seemeilen von der Küste entfernt? Den sechsten Tag verbringen wir mit Vorbereitungen auf den Starkwind und die Front, die uns, genau wie vorhergesagt, morgens um 6 Uhr des siebten Tags auf See einholt. Um die Front möglichst schnell durchziehen zu lassen, drehen wir schliesslich bei (das heisst, wir stoppen das Boot durch ein bestimmtes Manöver mit einer gewissen Segelstellung auf). Wir liegen am Boden, in voller Montur (Ölzeug, Rettungsweste, Lifebelt), Thomas oben im Cockpit, Regula unten in der Kajüte. Wir sind beide müde und übernächtigt (und ganz schön nass!). Der Regen peitscht horizontal über die OKOUMÉ, der Seegang nimmt zu. Trotz Wind und Wellen liegt die OKOUMÉ beigedreht (unter Reff 3 im Gross und Kreuzfock) erstaunlich ruhig. Nach einer Weile haben wir Vertrauen in unsere gegenwärtige Situation gewonnen, kochen Kaffee und checken die neuesten Wetterdaten. Diese versprechen, dass der Wind zwischen 9 und 10 Uhr UTC von Südwest auf Nordnordwest dreht. Und so ist dann auch, kurz vor 10 ist der Windreher da! Wie genau die Vorhersagen sind! Schnell klarieren wir die Fock, und haben anfangs in der grauen Welt um uns noch etwas Orientierungsschwierigkeiten und wenden einmal zu viel… Aber schliesslich sind wir auf Kurs – und wie! Die See ist eindrücklich und grob; die Nordwest-Welle legt sich über die alte Dünung aus Süden und unsere OKOUMÉ tanzt über die Seen, die von allen Seiten zu kommen scheinen. Der Wind hält sich aber mit bis zu 30 Knoten in Grenzen, die Wolken lichten sich, die Sonne bricht durch und das Segeln macht sogar Spass! Anfangs steuern wir abwechselnd von Hand, dann sind wir aber zu müde und überlassen das Ruder dem Autopiloten, der das Boot auch bei diesen anspruchsvollen Bedingungen perfekt auf Kurs hält. Unsere OKOUMÉ verhält sich sehr vertrauenserweckend, wir kommen gut vorwärts und können uns so langsam wieder entspannen. Die Front ist durch (ohne Gewitter, notabene), der Himmel wird immer blauer und der schöne Wind begleitet uns bis in den Abend. Für den Rest der Reise weht der Wind aus Westen (also von hinten) mit 2 bis 4 Beaufort. Anfangs ist die Dünung noch beträchtlich, dann nimmt auch sie langsam ab und wir können während unserer letzten Nacht auf See wieder geregelt unsere Wachen gehen. Wir geniessen nochmals den klaren Sternenhimmel und den grossen Mond in dieser eigenen Welt der Ruhe jenseits der Hektik des Lebens an Land. In der darauffolgenden Nacht erreichen wir die portugiesische Küste beim Kap São Vicente. Wie intensiv die Düfte der Küste auf uns wirken! Auf Höhe des Fischerhafens Baleeira steigt uns ein unverkennbares Fischaroma in die Nase; dann dominiert ein Duft nach Holz und Gebüsch unsere kleine Welt an Bord. Um 2 Uhr in der Früh schleichen wir im Dunkeln in den Hafen von Lagos und machen am Empfangssteg vor dem Hafenbüro fest. Die Marina ist gut besucht, am Empfangssteg gibt es nur noch eine kleine Lücke, in die unsere OKOUMÉ glücklicherweise genau hinein passt. Flüsternd räumen wir etwas auf und lassen uns dann erleichtert in die Kojen fallen. Seit unserer Ankunft hier in Lagos sind nun schon zwei Wochen vergangen. Anfangs war uns der Trubel im und um den Hafen fast etwas zu viel, wir „litten“ an Reizüberflutung. Auf den Azoren ging es schon noch etwas ruhiger zu und her und während der Woche auf See waren wir ganz auf uns allein gestellt gewesen. Inzwischen haben wir uns aber wieder eingewöhnt und geniessen das bunte Hafenleben in vollen Zügen. ERICA ist wohlbehalten in Porto eingetroffen und etwa einen Tag nach uns haben auch PAVO und SAMIRENA die Küste der Algarve erreicht. Natürlich haben wir zusammen auf die gelungene Überfahrt angestossen… Hier in Lagos waren wir ja schon den letzten Winter über und es ist schön, hier angekommen zu sein. Wir haben bereits viele bekannte Gesichter wieder getroffen und auch schon wieder neue Bekanntschaften gemacht. Nun steht bald Besuch aus der alten Heimat (der Schweiz) an, worauf wir uns besonders freuen. Eigentlich ist also alles paletti – wenn da Hurrikan Lorenzo nicht wäre, der in der Nacht zum 2. Oktober direkt über die Azoren zieht! Wir zittern mit unseren Freunden, die noch auf den Azoren weilen und sind froh, dass sie den Sturm schadlos überstehen. Es kommen aber nicht alle Azoren-Bewohner so glimpflich davon. Die westlichen Inseln werden hart getroffen; der Hafen von Lajes auf der Insel Flores wird komplett zerstört. 2012 hatten wir mit der BALU auf dem Rückweg von der Karibik in diesem idyllischen Hafen festgemacht. Wir sind schockiert, als wir nun die Bilder der Zerstörung sehen und es ist nicht einfach, den Gedanken einzuordnen, dass wir vor kurzem selber noch auf den Azoren waren… Die Überfahrt von den Azoren war für uns in vieler Hinsicht sehr lehrreich. Welche Schlüsse wir aus den Erfahrungen gezogen haben und wie wir die Reise rückblickend betrachten, werden wir beim nächsten Mal erzählen. Bevor ihr euch langweilt, folgen hier zur Abwechslung und zum Abschluss lieber ein paar Fotos ;-) Sonnige Grüsse aus Lagos von eurer OKOUMÉ-Crew, Thomas & Regula |
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