Ein gemütlicher Sommertag im Hafen von Angra do Heroísmo auf der Azoren-Insel Terceira: Thomas kümmert sich um die Wartung des Baumniederholers, Regula sitzt unter dem Sonnensegel im Cockpit und schreibt in ihr Notizbuch. Ein grosses Motorboot fährt an uns vorbei in Richtung Tankstelle und beginnt plötzlich laut und anhaltend zu hupen. Was ist los? Regula schaut verdutzt von ihrem Heft auf. „Da brennt ein Boot!“ Thomas steht auf dem Deck der OKOUMÉ und deutet aufgeregt zum keine 40 Meter entfernten Empfangssteg hinüber. Tatsächlich, ein Motorboot steht in Flammen, direkt vor dem Marinagebäude und in unmittelbarer Nähe der Tankstelle! Das vorbeifahrende Schiff hat gehupt, um Alarm zu schlagen. Leute eilen herbei und auch Thomas schnappt sich einen unserer Feuerlöscher – doch es ist schon zu spät, das Boot brennt lichterloh und die Versuche, dem Feuer mit herkömmlichen Feuerlöschern beizukommen, scheitern kläglich. Dicker schwarzer Rauch steigt auf. Die immense Hitze des Feuers ist trotz Gegenwind (glücklicherweise weht der Wind nur schwach und auch von uns weg!) bis zu uns hinüber spürbar. Am Ende unseres Stegs und sehr nahe am brennenden Motorboot liegt eine Hallberg Rassy-Jacht, niemand ist an Bord. Wir stehen mit dem Wasserschlauch neben dem schönen Segler und hoffen, dass die Festmacher des brennenden Motorboots halten und das Boot nicht im Hafen umherzutreiben beginnt. Bange Momente: Wo bleiben die Bombeiros (die örtliche Feuerwehr)? Zwei Tage zuvor hatten wir die Feuerwehrleute beim Folklorefest noch fröhlich trommelnd durch die Stadt ziehen sehen – jetzt gilt es ernst.
Plötzlich kommt ein Jetski-Fahrer herangebraust. Geschickt beschleunigt er, schlägt auf Höhe des brennenden Bootes enge Haken und produziert auf diese Weise Wellen, die über das Boot waschen. So etwas haben wir noch nie gesehen! Nach einer Weile hat er den Dreh perfekt raus und mit einer letzten gezielten Welle löscht er das Feuer. Nun kommt endlich auch die Feuerwehr und sichert die Lage - wir können ausatmen! Die lärmigen Jetskis sind normalerweise ja nicht gerade des Seglers beste Freunde; in Zukunft werden wir uns aber hüten, uns über sie aufzuregen ;-) Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, hätte der Jetski-Fahrer nicht so beherzt eingegriffen. Wie wir später von einem Mitarbeiter der Marina erfahren, war ein Kabelbrand der Auslöser des Feuers gewesen. So nah mitzuerleben, wie schnell sich ein Brand auf einem Boot ausbreitet, hat uns sehr beeindruckt. Eine schaurige Vorstellung – Feuer an Bord ist wohl wirklich das Worst-Case-Szenario, auf hoher See bleibt einem da nicht viel Zeit, die Rettungsinsel klarzumachen… Über die spektakuläre Löschaktion des Jetski-Fahrers berichteten auch die lokalen Medien: Bericht RTP Azoren. Aber nun zu erfreulicheren Dingen. Von dem aufregenden Nachmittag im Hafen von Angra einmal abgesehen, liegen ein paar schöne, sonnige und entspannte Wochen auf den Azoren hinter uns. Wir haben die Langsamkeit (wieder-)entdeckt und bleiben meist zwei Wochen in den angelaufenen Häfen hängen. Dies einerseits, weil wir uns für die jeweilige Insel Zeit nehmen wollen, andererseits, weil immer dann, wenn wir bereit wären, weiterzusegeln, das Wetter umschlägt, der Wind tagelang aus der falschen Richtung weht oder es gar keinen Wind und dafür Wellen satt gibt. Dass meist Nordwestwind ist, wenn wir nach Nordwesten wollen, kennen wir ja schon von unserer Überfahrt von Madeira zu den Azoren. Dies können wir ja noch nachvollziehen, denn die Azoren befinden sich nun mal in einer Westwindzone. Schlau wie wir sind, nutzen wir daher eine der wenigen Ostwindlagen und segeln von São Miguel aus über Nacht gleich nach São Jorge und lassen das auf dem Weg liegende Terceira vorerst aus. Von São Jorge aus können wir dann ja jederzeit mit dem vorherrschenden Westwind nach Terceira zurück, so der Gedanke. Und was passiert: Südlich der Azoren etabliert sich eine Tiefdruckrinne, die für kräftigen Ostwind sorgt… Unser Boot kennt langsam nur noch Am-Wind-Kurse, Vorwindsegeln ist allmählich ein Fremdwort für uns. Als der Wind auf dem Schlag nach Terceira dann doch noch etwas dreht und die OKOUMÉ an Fahrt verliert, brauchen wir eine Weile, um zu begreifen, dass wir ja die Schoten fieren könnten ;-) Wie gemütlich wir unterwegs sind, zeigt sich nicht nur daran, dass seit mehreren Wochen eine Spinne in unserem Windpiloten wohnt (werden Spinnen eigentlich nie seekrank?). Unsere Entschleunigung wird auch im Gegensatz zur Emsigkeit der Charterboote deutlich, die geschäftig von einer Insel zur nächsten hüpfen. Langsam kennen wir die Namen der Mietboote, denen wir immer wieder begegnen. In der Zeit, die wir in einem Hafen verbringen, fahren die gleichen Charterboote nicht nur mehrmals ein und aus, sie haben teilweise auch schon eine neue Crew an Bord… Im Vergleich zu unserer früheren Reise mit der BALU ist es auffallend, wie viele Charterboote mittlerweile auf den Azoren unterwegs sind. Damals, als wir 2012 von der Karibik kommend auf den Azoren Halt machten, hatten wir keine Charterboote gesehen, oder sie waren uns zumindest nicht aufgefallen. Und was für uns auch neu ist: Es scheint immer mehr in Mode zu kommen, nicht nur ein Schiff zu mieten, sondern gleich einen Skipper dazu. Ein gemieteter Skipper trägt dann nicht nur die Verantwortung für Boot und Besatzung, sondern ist gleichzeitig Reiseleiter und Mädchen für alles. Immer wieder konnten wir beobachten, wie der Skipper das Boot allein bedient und im Hafen anlegt, während die Crew (oder besser gesagt die Kundschaft) teilnahmslos im Cockpit sitzen bleibt und keinen Finger rührt. Andere Segler eilen dann hilfsbereit hinzu, um die Leinen anzunehmen... Anschliessend machen sich die Kunden fein für den Ausgang und der Skipper räumt das Boot auf, spritzt es mit Süsswasser ab, steckt den Strom ein usw. Manchmal kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auf diese Weise verkommt doch der schönste Segeltörn zum reinen Konsum. Während wir uns einmal wieder vom Ostwind schütteln lassen, wünschen wir euch nun viel Spass mit der Bildergalerie zu São Miguel, São Jorge und Terceira. Até a próxima! Cheerio vo oiere OKOUMÉ-Crew
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