Die Zeit rast! Der Samichlaus hat seinen grossen Auftritt schon hinter sich und Lichterketten schmücken die Gassen, Bars und Boote. Schon über einen Monat sind wir nun hier in Lagos, in der Algarve, wo wir auf dem Boot überwintern (wobei „überwintern“ ein etwas in die Irre führender Begriff ist, denn wir sitzen gerade bei strahlend blauem Himmel in kurzer Hose und T-Shirt im Cockpit), und haben es bis jetzt nicht geschafft, einen neuen Bericht zu schreiben. Jedes Mal, wenn Regula vorhat, sich an den Computer zu setzen, kommt etwas – mehr oder weniger Erfreuliches – dazwischen. Gerade eben, zum Beispiel, wollte Thomas nur schnell ein neues Handtuch aus dem Schapp unter dem WC-Brünneli hervorholen, und musste etwas ernüchtert feststellen, dass sämtliche Frottee-Tücher pitschnass waren. Und natürlich war auch unsere Notreserve an Bargeld, die wir hier zwischen den Tüchern untergebracht hatten, in Mitleidenschaft gezogen worden. Wir trocknen die Banknoten nun vorsichtig auf dem letzten trockenen Handtuch; Geldwäsche einmal anders… Bei der Montage des neuen Wassermachers (mit dem wir nun wertvolles Süsswasser aus dem Meerwasser gewinnen können) ist wohl etwas schiefgelaufen. Wegen einer Unachtsamkeit war der Lavabo-Ablauf nicht mehr dicht. Das Malheur konnten wir zum Glück schnell beheben und dank des schönen Wetters sollten auch die Handtücher wieder trocknen, die nun nach der ungeplanten Wäsche an diversen Leinen quer über dem Cockpit hängen (weil die Tücher hauptsächlich gelb und orange sind, sieht es bei uns gerade aus wie auf einem Tibeter-Boot). Dass das durchnässte Zeug vor dem Eindunkeln noch trocknet, ist nicht selbstverständlich. Wir haben hier zwar seit vielen Tagen strahlenden Sonnenschein und die Temperaturen erreichen tagsüber oft 20 Grad und mehr, aber auch hier im Süden Portugals werden die Tage nun kürzer und die Nächte sind kühl und feucht. Immer öfter sind wir morgens damit beschäftigt, das Kondenswasser von den Luken zu wischen und das Schwitzwasser aus der Koje zu entfernen, das sich in besonders kalten und feuchten Nächten – trotz Belüftungsunterlage unter der Matratze – bildet. Da hilft nur eines: regelmässig Polster hoch heben, Schränke öffnen, und alles gut durchlüften und trocknen lassen, was bei den meist sehr angenehmen Tagestemperaturen glücklicherweise gut möglich ist.
Wenn wir nicht gerade damit beschäftigt sind, Wasser (in welcher Form auch immer) aus dem Boot zu schaffen, halten uns andere, erfreulichere, Dinge vom Bloggen ab. Es gibt hier in der Marina von Lagos eine aktive Segler-Community. Regelmässig werden Aktivitäten organisiert, an denen man spontan teilnehmen kann oder auch nicht. So wandern wir mittwochs oftmals mit den sogenannten „Lagos Strollers“ durch das portugiesische Hinterland, gehen über goldgelbe, verlassene Strände, schlendern durch beeindruckende, schroffe Klippenlandschaften oder noch ursprüngliche Dörfer und lernen auf diese Weise die Region rund um Lagos besser kennen. In einer gewissen Weise erinnern uns diese Wanderungen an die „Hashes“ – die ungezwungenen, und meist sehr schlammigen, Walks (und Runs) durch den Dschungel, die wir von der Karibik her kennen. Die stets perfekt geplanten Ausflüge der Strollers laufen zwar um einiges „gesitteter“ ab als die karibischen Hashes, sind aber nichtsdestotrotz sehr entspannt und erlauben es einem, die Umgebung so richtig auf sich wirken zu lassen. Am Ende des Tages hat man dann doch so einige Kilometer hinter sich gebracht, und dies in einer interessanten, gemischten Truppe von Seglern, Aussteigern verschiedener Couleur und anderen lustigen Vögeln. Donnerstags versuchen wir uns im Portugiesisch-Kurs für Anfänger, ab und zu zieht es Regula ins öffentliche Hallenbad zwecks Bewahrung der mühsam erlernten Crawl-Schwimmzüge, und alle zwei Wochen findet eine „Music Night“ statt, bei der man sich in gemütlicher Runde zum Jammen, Songs-Vortragen oder einfach nur zum Zuhören trifft. Thomas kann hier seit Langem einmal wieder in die Bass-Saiten greifen und Regula versucht, die inzwischen recht eingerostete Stimme zu lösen. Mit „Alperose“ von Polo Hofer (beziehungsweise Hanery Amman) tragen wir zum internationalen Anstrich dieser Musikabende bei – nur leider versteht ausser uns keiner den Text, denn wir sind meist die einzigen Schweizer… Und dann wäre da ja noch unsere To-Do-Liste. Die Arbeiten, die wir am Boot vornehmen wollen, füllen schon wieder eine gute A4-Seite. Da steht schon so einiges wie „Sicherung von Bücherbords und Bodenbrettern im Salon“, „zusätzliche Tablare in Küche“, „Cockpittisch abschleifen und ölen“, „Vorschoten-Umlenkung vor Fensterkanten“, „Salingleder für zweite Saling“, „Winschen reinigen und fetten“, „Stromschiene montieren“, „Iridium-Handy montieren“, „Wassermacher installieren“, „Reff 3 für Grosssegel vorbereiten“, „Halterung für Ersatzgasflasche im Ankerkasten“, „Backskisten besser abdichten“, „Heckflutlicht montieren“, „Pfannendeckel- und Bäseli-Halter einrichten“, „Kühlschrank-Thermostat reparieren“ und, und, und… Wir haben noch nicht einmal die Hälfte geschafft – die Ablenkungen sind einfach zu verführerisch, zum Beispiel wenn uns die beiden Franzosen Dominique und Bernard vom Steg gegenüber spontan zu einer Spritztour mit ihrem Auto einladen. Die beiden Segler aus der Bretagne verbringen nun bereits den fünften Winter hier in Lagos und kennen sich bestens in der Gegend aus. Nur zur gerne nehmen sie uns mit und zeigen uns ihre Lieblingsplätze – etwa verwunschene, kleine Dörfer oder wilde Strände, Klippen und Felsen in den verschiedensten Farben und Formen –, aber auch die andere Seite der Algarve: nachdenklich stimmende, riesige Retorten-Überbauungen und gespenstisch anmutende, im Winter verlassene Ferien- und Hotelanlagen, die leider immer mehr das Gesamtbild der Region prägen. Für die schönen und interessanten Ausflüge revanchieren wir uns mit einem Drei-Gänge-Menü bei uns an Bord oder einem gemeinsamen Segeltag auf der OKOUMÉ. So sehr wir den Austausch mit Dominique und Bernard auch schätzen: Nach einem Tag des Französischsprechens sind wir meist recht geschafft. Um auf das Thema des Durchlüftens zurückzukommen: Nicht nur unser Boot wird regelmässig durchlüftet, sondern auch unsere Gehirne und zwar hauptsächlich sprachtechnisch. Unsere mündlichen Englisch-, Französisch- (und neuerdings auch sehr mageren Portugiesisch-)Kenntnisse werden täglich auf die Probe gestellt und dies meist im schnellen Wechsel. Regulas Hirnzellen sind besonders beansprucht, denn sie sind sich von der täglichen Büroarbeit vor allem die schriftliche – und kaum die mündliche – Kommunikation in Fremdsprachen gewöhnt, und dies auch wieder nur in einem spezifischen Bereich. Thomas fällt die spontane Unterhaltung auf Französisch da schon einiges leichter. Aber auch er ringt manchmal um Worte, denn hier kommen wirklich sämtliche Lebensbereiche zur Sprache. Auch sonst werden in unserem neuen Leben auf dem Segelboot ganz andere Hirnzellen stimuliert als in unserem früheren Alltag an Land. Gefragt sind hier vor allem Flexibilität, das Erkennen von praktischen Lösungen in einem sich immer wieder verändernden Umfeld und in unvorhergesehenen Situationen. Immer wieder müssen wir „umdenken“, unsere Scheuklappen abwerfen und über unseren üblichen Horizont hinaus blicken. Dies ist nicht immer einfach, tut unseren Köpfen aber gut. Immerhin: Auch wenn unsere Fremdsprachenkenntnisse manchmal an ihre Grenzen kommen, so sind wir doch froh, wenigstens einigermassen mit den anderen Seglern oder den Einheimischen kommunizieren zu können. Wie schade wäre es, wenn wir kein Englisch oder Französisch sprechen und nicht mit den Leuten reden könnten! So würden verschiedene hübsche Geschichten unbemerkt an uns vorübergehen, die doch so schön die unterschiedlichen Mentalitäten aufzeigen, die in einem Ort wie hier in Lagos zusammen kommen. Die Engländer lieben, zum Beispiel, eine gewisse Bar in Raposeira (ein Ort, der immer wieder gerne als Schlusspunkt der Wanderungen angesteuert wird), weil es in dieser Bar ein spezielles schwarzes Bier gibt, das man sonst in der Region nirgendwo erhält. Bernard, der Bretone, meint hierzu verschmitzt: Er sei früher in seinem Beruf als Hochseetaucher oft für lange Zeit auf See gewesen. Wenn er und seine jungen Kollegen dann einmal Landurlaub hatten, zog es sie natürlich auch als erstes in die nächste Bar, aber nicht, wie die Engländer, wegen des Biers, sondern wegen der „jolie serveuse“. Apropos französische Vorlieben: Kürzlich hörten wir im Radio eine Sendung über das kulinarische Erbe der Schweiz. In dem vom Bund initiierten Inventar figuriert offenbar auch das „Aromat“, das sich, so der Sprecher am Radio, bei Herrn und Frau Schweizer noch immer besonderer Beliebtheit erfreut. Wir wissen ja nicht, was auf der entsprechenden Liste in Frankreich steht (wenn es eine solche gibt), aber eines steht fest: Sicher würde da etwas ganz anderes aufgeführt (Champagner, Bordeaux, Moules?...) und wohl kaum eine Gewürzmischung, die jedem Gericht den Charakter raubt und mit ihrem penetranten Aroma jeglichen Eigengeschmack eines Produkts übertüncht. Wie überall, wo Fahrtensegler zusammen kommen, sind auch hier in Lagos die Gegensätze zwischen den Seglern gross, was das Ganze ja auch so spannend macht. Einerseits liegen hier luxuriöse Yachten von 60 Fuss. Andererseits gibt es auch Individualisten, deren finanzielle Mittel sehr begrenzt sind und die trotzdem einen Weg finden, eine lange Reise zu machen. An unserem Steg liegt zum Beispiel ein kleines französisches Boot (unter 9 Meter), auf dem nicht nur ein junges Paar, sondern auch auch ein Hund, ein Velo, Blumensträusse, Gewürze in Töpfen, und immer wieder auch Freunde Platz finden. Das aufgestellte, junge Paar erwartet im Januar ein Baby und hat vor, die Geburt auf dem Boot über die Bühne gehen zu lassen, mithilfe einer Hebamme. Wir sind gespannt (und hoffen, dass alles gut geht!), denn so etwas haben wir ja auch noch nicht erlebt… Der werdende Vater arbeitet fleissig daran, das Boot wohnlicher und sicherer zu machen. Wir leihen ihm Werkzeug und er beschenkt uns dafür mit einem vorgefertigten Stück Sperrholz, das wir für ein neues Tablar im Küchenschrank benötigen. Es ist schön, dass die Hilfsbereitschaft unter den Yachties noch immer so lebendig ist. Dies scheint sich seit unserer letzten Reise vor fast 10 Jahren nicht geändert zu haben. Jetzt ist es aber genug der Worte und wir lassen lieber ein paar Bilder sprechen. Viel Spass damit:
4 Comments
Peter&bea
8/12/2018 13:17:42
Toll, wir beneiden euch, hier warten wir auf Schnee ...... langsam wird’s langweilig, kommen nach Lagos!
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Okoumé
8/12/2018 13:46:53
Herzlichen Dank!
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10/12/2018 11:14:20
Hoi zäme
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Thomas Buechi
10/12/2018 12:02:06
Hello ihr zwei
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