Wie wir hören, versinkt die Schweiz zurzeit im Schnee und die Temperaturen sind so richtig winterlich. Für Januar ist das ja nicht untypisch. Hier in der Algarve hingegen haben wir zuweilen das Gefühl, der Frühling halte schon Einzug: Die Wiesen erstrahlen im saftigen Gelb des blühenden Sauerklees, und der Eukalyptus und die Mandelbäume tragen schon die ersten, weissen Blüten. Wenn man ein paar Meter in die „Höhe“ steigt und die Hügellandschaften westlich von Lagos durchstreift, bietet sich einem ein bezauberndes Schauspiel von wilden kleinen Blumen - Farbtupfer in rot, blau, violett und weiss, im frischen Schatten der Pinien und Korkeichen. „Winterlich“ muten lediglich die vor reifen Früchten strotzenden Orangen- und Mandarinenbäume an. Die Zitrusfrüchte schmecken hier viel besser und intensiver als in Nordeuropa (wo die Früchte ja oft erst halbreif angeliefert werden): Jeden Samstagvormittag decken wir uns am Wochenmarkt in Lagos mit Obst und Gemüse ein und schwelgen in saftigen Orangen und unglaublich süssen Mandarinen. Der Gemüsemarkt in Lagos ist wirklich ein Erlebnis: Dicht an dicht reihen sich die Stände aneinander, Einheimische und Touristen gleichermassen drängen sich durch die engen Gassen zwischen Brot, Broccoli, Feigen, Lauch, Guetzli, Tomaten, Honig, Karotten, Zitronen, Koriander, Chuchu, Äpfeln, Piri-Piri, Orangen… Der Markt ist – trotz der Konkurrenz der vielen grossen Supermärkte wie Pingo Doce, Continente, Intermarché oder auch Aldi und Lidl, die es in Lagos quasi an jeder Ecke gibt – wirklich gut besucht. Aber selbst wenn sich vor dem Stand eine lange Schlange (beziehungsweise ein dichtes Gewusel) bildet, nehmen es die meist älteren Gemüsebauern gelassen; für einen Schwatz mit der Kundschaft ist immer Zeit. Und auch der ambitionierte Portugiesisch-Lernende kommt hier nicht zu kurz: Aus dem zahnlosen Murmeln der betagten Verkäuferin herauszuhören, ob der Sack Zwiebeln nun sessenta (gesprochen „s’senta“) oder setenta (gesprochen „s’tenta“) Eurocents kostet (sechzig beziehungsweise siebzig Cents), kann recht anspruchsvoll sein… Das Lächeln nach dem Obrigada (portugiesisch für „danke“) ist dafür immer gratis. Das einzige, was uns beim Besuch des Marktes nachdenklich stimmt, ist die leichtfertige Verwendung von Einweg-Plastikbeuteln. Nicht nur in Portugal, auch schon in Spanien ist uns aufgefallen, wie achtlos vielerorts damit umgegangen wird. Beim Einkauf von Gemüse und Obst wird jedes Produkt in einen separaten Plastikbeutel gesteckt, und die einzeln verpackten Lebensmittel am Schluss nochmals in einem grösseren Plastiksack zusammengefasst. In Afurada (bei Porto) sah das Marktareal am Ende des Tages wirklich traurig aus: Plastiksäcke lagen verstreut auf dem Boden, wohin man auch sah. Und spätestens mit dem nächsten Windstoss wurden sie in den Douro – und somit ins Meer – befördert. Wir sind ja sicherlich auch nicht die Vorzeige-Ökos, aber wir versuchen zumindest, beim Einkaufen auf dem Markt auf Plastikbeutel zu verzichten. Stattdessen nehmen wir unsere wiederverwertbaren, waschbaren Gemüsesäckli aus Leinen (erstanden in der Migros) und ernten meist erstaunte Blicke, aber auch immer wieder positives Feedback von den Marktfrauen. Die Umweltverschmutzung, und insbesondere die Kontamination der Meere, stimmt uns wirklich nachdenklich. Die Situation scheint uns im Vergleich zu unserer ersten Segelreise vor 8 Jahren um einiges schlimmer geworden zu sein. Schon damals hatte uns der im Meer treibende Unrat betroffen gemacht; jetzt aber finden wir wirklich keinen einzigen Strand mehr (und hier in der Algarve gibt es eine Menge wunderschöner Buchten und Strände), auf dem das letzte Hochwasser nicht eine lange Spur an Plastikpartikeln hinterlassen hat. Die Verwendung von Mehrwegbeuteln, eine Massnahme, die so einfach umzusetzen ist (!), und hie und da ein von den hiesigen Seglern organisierter Beach-Cleanup sind zwar sicherlich nicht die Lösung aller Probleme, setzen aber zumindest ein Zeichen. Was für eine Schande die Verschmutzung der Umwelt ist, wird hier in der westlichen Algarve besonders deutlich, hier, wo steile Klippen majestätisch in den azurbauen Himmel ragen, Basstölpel über glasklarem Wasser ruhig ihre Kreise ziehen und sonnengewärmte Felsen zum Verweilen und Träumen einladen. Die Landschaft ist einfach wunderschön – immer wieder entdecken wir neue Uferwege durch ein Postkarten-Idyll, zum Beispiel in Arrifana oder Monte Clerico an der Westküste Portugals. Aber auch das Landesinnere Portugals gefällt uns sehr: Anfangs Januar mieten wir für eine Woche ein Auto und fahren über Évora bis ins Douro-Tal hinauf. Nach zwei Tagen im Norden geht es wieder südwärts; wir machen einen Abstecher ins spanische Sevilla und kehren schliesslich in gemütlicher Fahrt durch die Algarve nach Lagos zurück. Die terrassenartig angelegten Weinberge im „Alto Douro“ – ein UNESCO-Weltkulturerbe – haben es uns besonders angetan, auch wenn wir hier beim nächtlichen Spaziergang zum Restaurant erbärmlich frieren und morgens das Eis von der Windschutzscheibe des Mietwagens kratzen müssen. In den steilabfallenden, engen Strassen, die sich durch das noch schattige und teilweise im Nebel liegende Tal winden, versuchen wir, mehr oder weniger erfolgreich, den Gedanken daran zu verdrängen, dass unser in der milden Algarve gemieteter Opel Corsa sicherlich noch nie mit einem Winterreifen in Berührung gekommen ist. Schliesslich lichtet sich jedoch der Nebel, die Sonne bricht durch und taucht die traumhaften Rebberge in mildes Licht. Unser Weg führt der berühmten N222 entlang. Hier sind sie alle, die grossen Weinberge von Taylor‘s, Croft, Ferreira und Co. Aus den Trauben, die hier wachsen, wird der berühmte Portwein hergestellt. Da wir bei unserem Aufenthalt in Porto bereits einiges an Portwein gekostet und über dessen Herstellung gelernt haben, interessieren wir uns dieses Mal eher für den „normalen“ Wein, der hier ebenfalls angebaut wird (meist etwas weiter oben im Tal) und dessen Qualität uns schon seit Längerem überzeugt hat. Wir besichtigen einerseits die bekannte Quinta do Seixo von Sandeman, andererseits die vergleichsweise winzige Quinta do Monte Travesso in Tabuaço, deren Wein uns am Vortag beim Abendessen so gut geschmeckt hat. Welch ein Gegensatz: Das Gut von Sandeman ist riesig und auf viele Touristen eingestellt. Für die Weinprobe fährt man mit einem Lift in den unteren Stock. Amüsanterweise hat man vergessen, im Gang das Licht anzumachen! Als die Lifttür aufgeht, tappen wir im Stockdunkeln den Gang auf und ab, und finden den Weg schliesslich nur mithilfe der Handy-Taschenlampe. Der helle, modern eingerichtete Degustationssaal wirkt dann wieder luxuriös und etwas kühl, die Aussicht ist allerdings atemberaubend – von hier aus überblickt man das ganze Tal – und das Personal ist freundlich und zuvorkommend. Die Quinta do Monte Travesso hingegen ist ursprünglich und ungekünstelt. Die Ruhe, die über diesem Weinberg liegt, ist unglaublich. Nur sanftes Vogelgezwitscher dringt von weit her über die Reben an unser Ohr. Die Besitzer der Quinta – José und seine Frau - sind um die 70 und führen das Gut in der fünften Generation. Sie zeigen uns spontan ihr 150 Jahre altes Haus, das in unseren Augen eine Art lebendiges Museum ist, und sogar eine eigene kleine Kapelle besitzt. In der geräumigen Küche wurde bis vor kurzem noch über offenem Feuer gekocht… José zeigt uns auch die Wein-Lagerräume samt Etikettier- und Verkorkungsmaschine, wo die Flaschen einzeln, noch immer von Hand eingelegt werden. José beschäftigt auf seinem Weingut lediglich 3 Frauen. Wie er schmunzelnd erzählt, verlasse er sich gerne auf den weiblichen Fleiss. Wir sind beeindruckt, wie das ältere Paar hier lebt: Im Winter in der eisigen Kälte (lediglich ein Raum wird spärlich mit einem Cheminée beheizt), im Sommer in der glühenden Hitze, wobei die dicken Steinmauern sicherlich für etwas Kühle sorgen. Wir kaufen eine Kiste Reserva-Wein und werden noch mit einem süffigen Schluck Portwein und einer Flasche Olivenöl beschenkt. So ein schöner Besuch, und was für ein Glück, diese Quinta gefunden zu haben! Wenn man diesen Blogeintrag liest, könnte man meinen, wir seien mit dem Abarbeiten unserer To-do-Liste keinen Schritt weitergekommen. Das täuscht jedoch! Zwischen all den Vergnügungen haben wir nun doch auch das eine oder andere am Boot erledigt. Unter anderem haben wir uns, nach langem Hin- und Herüberlegen, dazu entschieden, einen „Windpiloten“ – einen rein mechanisch arbeitenden Autopiloten mit Windfahne – anzuschaffen. Davon berichten wir jedoch im nächsten Beitrag und belassen es für dieses Mal bei den rein hedonistischen Fotos ;-) P.S. Die beiden jungen Franzosen an unserem Steg sind inzwischen Eltern geworden! Wir haben den grossen Moment jedoch knapp verpasst: Das Baby – ein Junge – kam einen Tag vor Ende unserer Mietwagen-Tour zur Welt. Zum Glück ist alles gut gegangen und Kind und Mutter sind trotz 14 Stunden Wehen (nach einer gewissen Erholungsphase) wieder wohl auf.
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