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Bisherige Route:
Aug-Nov 18: La Rochelle-Spanien (Baskenland, Galizien)-Portugal
Dez 18-Mrz 19: Überwinterung in Lagos (Portugal)
Apr-Mai 19: Andalusien, Tanger, Gibraltar
Mai-Jun 19: Porto Santo, Madeira
Jul-Sept 19: Azoren
Okt 19-Jun 20: Überwinterung & Corona-Reisepause in Lagos
ab Jul 20: Kanaren
2021-2023: pendelnd Kanaren - Madeira -Azoren
2024: Kanaren - Madeira - Azoren - Nordspanien - Frankreich, Bretagne

Der Wind, der Wind, das himmlische Kind oder: Was so alles ins Wasser fällt (nicht nur wegen COVID-19) - angekommen auf Lanzarote!

22/7/2020

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Leinen los
und auf zu den Kanaren!
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Die Paella
will jedoch verdient sein.
Am 7. Juli ist es soweit: Nach über 9 Monaten in Lagos verlassen wir Portugal – ja, tatsächlich! Eigentlich wollten wir zuerst nach Madeira, und noch vorher nach Irland. Beide Pläne sind jedoch wegen COVID-19 ins Wasser gefallen. Da uns als Winterziel sowieso die Kanaren vorschweben und die Grenzen zu Spanien nun offen sind, setzen wir halt direkt Segel südwärts – auf nach Lanzarote! Mit einem lachenden und einem weinenden Auge lösen wir die Leinen. Es ist gut, wieder unterwegs zu sein, aber der Abschied von Lagos fällt uns auch schwer.

Für die 550 Seemeilen von Lagos nach Arrecife, der Hauptstadt Lanzarotes, verspricht der Wetterbericht schönen Wind aus nördlicher Richtung, für unseren Kurs also von hinten, und Wellen von bis zu 2,5 Metern. Der schöne Wind entpuppt sich als schön stark, vier Tage lang weht es ununterbrochen mit 5-6 Beaufort (in Böen 7). Die See ist entsprechend rau. Am dritten Morgen traut Regula ihren Augen kaum, als sie die Wache übernimmt. In der grauen Morgendämmerung kommen richtige Wellenberge angerauscht, und sie werden immer höher und spitzer. Von wegen 2,5 Meter… Diese Wellen müssen doppelt so hoch sein. Es sind die höchsten, denen wir je auf See begegnet sind! Wir fragen uns, wo diese Seen herkommen, denn so viel Wind haben wir ja nun auch wieder nicht. Vielleicht sind sie durch die Kompression entlang der afrikanischen Küste entstanden, wo es gerade stärker weht? Als wir auf diese beeindruckenden Wellen treffen, befinden wir uns etwa 120 Seemeilen nordwestlich von Agadir.

Auch wenn wir uns in Anbetracht dieser mächtigen Wassermassen sehr klein und zerbrechlich vorkommen, ist es beruhigend zu sehen, wie zuverlässig der Autopilot die OKOUMÉ steuert (im Steuermodus „Windwinkel“). Trotz der konfusen, hohen See und fast platt vor dem Wind, nur mit doppelt gerefftem Grosssegel, hält unser Raymarine-Autopilot das Boot stabil auf Kurs. Das Heck dreht immer rechtzeitig zu den heranrollenden Wellen, auch wenn das „Füdli“ unseres Bootes manchmal neckisch seitwärts ausschert. Einmal schleudert eine besonders heimtückische Welle Regula von der Pantry auf den gegenüberliegenden Navi-Tisch und Thomas findet sich kurzerhand auf dem Cockpitboden wieder. Müssten wir von Hand steuern, wären wir nach kurzer Zeit völlig übermüdet. Die OKOUMÉ ist ein kleines Kind auf einer Schaukel, mit 4 Knoten geht es heckvoran in die Höhe, dann gibt der Wellenkamm unserer Nussschale einen spielerischen Schubs und unser Boot rauscht mit 10 Knoten talwärts. Und so geht es auf und ab und auf und ab und auf und ab.

Als wir nach vier Nächten auf See im Hafen von Arrecife festmachen, sind wir nicht nur tüchtig durchgeschüttelt, sondern auch um eine wertvolle Erfahrung reicher. Und wir sind beide etwas „landkrank“: In unseren Köpfen schaukelt es noch ein paar Stunden lang weiter, als wir wieder festen Boden unter den Füssen haben. Vielleicht hätten wir – nach 9 Monaten im sicheren Hafen und geschützten Gewässern – doch auf ein beschaulicheres Wetterfenster warten sollen ;-) Wobei dies nicht ganz leicht ist, denn es ist im Sommer auf den Kanaren eigentlich immer sehr windig. Dies haben wir schon im Vorfeld von anderen Seglern gehört und erfahren es nun auch selber. Während der guten Woche, die wir nun schon in Arrecife weilen, hat uns der böige Wind nicht nur verschiedenes Treibgut in Form von Fendern und Schuhen gebracht, sondern auch ein Fahrrad vom Steg geweht (das wir zur grossen Freude des deutschen Besitzers mit vereinten Kräften und Einsatz des Drag-Ankers wieder ans Tageslicht befördern) und unseren Bootsnachbar ins Hafenwasser geblasen, als dieser mit den Leinen hantiert. Zu zweit ziehen wir den verdatterten 75-jährigen Franzosen wieder aus dem Wasser. Zum Glück ist er, von ein paar Schrammen an den Beinen abgesehen, wohlauf und guter Dinge. Wir reinigen und desinfizieren seine Wunden und laden ihn auf den Schreck zum Apéro ein. Seither scheint unser Nachbar einen Narren an uns gefressen zu haben und versorgt uns regelmässig mit Kuchen, Feigen, Kartoffeln – und Pastis.

Bisher gefällt es uns hier in Arrecife gut: Die Hauptstadt ist übersichtlich und hat Charme, und das kulinarische Angebot ist ansprechend :-). Die Marina ist gut besucht, die Anlage ist sauber, die Mariñeros sind sehr nett und hilfsbereit (und sprechen sogar Englisch!!), und der Hafen bietet guten Schutz. Während ein paar Tagen erkunden wir Lanzarote mit einem Mietwagen. Wir haben das Gefühl, dass die Öffnung hier noch in den Kinderschuhen steckt. In Lagos war in touristischer Hinsicht doch schon mehr Betrieb. Wir begegnen nur wenigen Urlaubern. Kreuzfahrtschiffe, die, wie wir gehört haben, normalerweise täglich in Arrecife anlegen, gibt es auch keine. Die Hotelanlagen und Feriendörfer befinden sich (noch) im Dörnröschenschlaf, die Strassen sind wie ausgestorben. Auch bei den wichtigsten Sehenswürdigkeiten – den berühmten Werken des Architekten César Manrique sowie dem Timanfaya-Nationalpark – hält sich der Andrang in Grenzen. Einerseits profitieren wir natürlich davon, dass die Insel gerade nicht überlaufen ist. Andererseits wirkt die sowieso schon dürre, schwarze Vulkanlandschaft zurzeit etwas schwermütig auf uns.

Was für uns auch neu ist: Im Eingangsbereich der meisten Läden und Museen etc. wird bei den Besuchern die Körpertemperatur gemessen und manchmal werden auch Handschuhe verteilt (in Lagos sind wir solchen Massnahmen nie begegnet). Maskenpflicht gilt in geschlossenen Räumen sowieso, und teilweise ist dies auch in offenen Anlagen der Fall, so zum Beispiel im Nationalpark. Der allgegenwärtige Wind zerrt dann nicht nur an den Sonnenhüten, sondern droht den Besuchern auch die Maske vom Gesicht zu fegen…

Während wir uns weiterhin vom Nordwind den Wüstensand um die Ohren wehen lassen, wünschen wir euch nun gute Unterhaltung mit den Fotos zu unserer Überfahrt und der faszinierenden Insel Lanzarote.

Bleibt gesund und geniesst den Sommer (mit oder ohne Wind),
herzliche Grüsse, Thomas & Regula
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Ein Segeltag, der unter die Haut geht

14/5/2020

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Über die Toppen geflaggt…














…aus dem Hafen von Lagos!

Als wir vor einigen Wochen unseren letzten Beitrag verfassten, galten in Portugal noch der „State of Emergency“ und eine recht strenge Ausgangssperre, die auch das Segeln untersagte. Dies hat sich inzwischen geändert.  Am 2. Mai wurde aus dem „State of Emergency“ der sogenannte „State of Calamity“ und die ersten, vorsichtigen Lockerungen wurden angegangen. Inzwischen sind kleinere Geschäfte wieder offen, die Friseure dürfen ihre Arbeit verrichten und ab kommenden Montag sollen auch die Restaurants (unter gewissen Auflagen) wieder Gäste empfangen können. Und, was für uns besonders wichtig ist: Wir dürfen wieder segeln gehen! Seit dem 7. Mai ist es uns erlaubt, für Tagestörns rauszufahren; die Bedingung ist, dass wir am selben Tag vor 18.00 Uhr wieder zurück im Hafen von Lagos sind.

Diese für uns Segler historische Öffnung musste natürlich gefeiert werden! Les und Marie von BOBBY DAZZLER haben eine wunderbare Idee: Als Zeichen der Freude, Solidarität und, nicht zuletzt, als grosses Dankeschön an das ganze Marina-Personal und unser Gastland Portugal machen alle Segler, die zurzeit in der Marina von Lagos weilen, die erste, bewilligte Ausfahrt gemeinsam. 26 Boote beteiligen sich an dieser Flottillen-Ausfahrt. Als sich um 11.30 Uhr die Fussgängerbrücke über den Hafenkanal öffnet und die Boote – die meisten haben zur Feier des Tages über die Toppen geflaggt – die Leinen lösen und nacheinander den Hafen verlassen, überkommt uns ein Gänsehaut-Gefühl. Jede Crew, die die Brücke passiert, meldet den Bootsnamen über Funk an das Marina-Büro. Nach der langen Zeit hier in Lagos kennen wir diese Namen alle; auch viele der Stimmen sind uns inzwischen vertraut. Die Brücke bleibt eine knappe halbe Stunde lang geöffnet, was wahrscheinlich der längsten Brückenöffnung in der Geschichte von Lagos gleichkommt :-)

Aiolos meint es gut mit uns. Draussen auf See empfängt uns ein schöner Westwind, wenn auch die Witterung etwas grau ist. Die Flaggen kommen runter, die Segel gehen hoch, und gemeinsam segelt der Pulk in Richtung Ponta de Piedade, wobei fleissig Fotos geschossen werden. Ein kleines Stück Freiheit, wieder den Fahrtwind im Haar und die Seeluft auf der Haut zu spüren – wir geniessen die Ausfahrt in vollen Zügen. Egal, welchem Boot man sich nähert: Überall lachende, zufriedene Gesichter; die Stimmung ist sehr emotional und positiv.

Nachmittags ankern wir vor Meia Praia (dem schönen langen Strand östlich der Hafeneinfahrt). Zum ersten Mal gräbt sich unser neuer Ultramarine-Anker in den Grund und hält sofort. Die Wassertemperatur ist mit etwa 18 Grad zwar nicht gerade karibisch, aber Regula hüpft trotzdem kurz ins erfrischende Nass. Abends (brav vor 18 Uhr) liegen wir dann wieder an unserem üblichen Liegeplatz in der Marina de Lagos und stossen auf den wunderschönen Tag an (halt nur zu zweit, denn wir dürfen noch keine Freunde an Bord einladen; aber es ist trotzdem schön). Die gemeinsame Ausfahrt bleibt noch lange Gesprächsstoff im Hafen. Alle Segler, die an der Parade beteiligt waren, werden diesen Tag in guter Erinnerung behalten; ein Ereignis, das uns auch in Zukunft verbinden wird. Vielen Dank, Les und Marie, für die wunderbare Idee und Organisation!

Wie es für uns nun weiter geht, was unsere Segelreise betrifft, ist weiterhin offen. Wir hoffen darauf, dass es demnächst möglich sein wird, Porto Santo oder Madeira anzusteuern, ohne 14 Tage in Quarantäne zu müssen. Sollte dies möglich sein, werden wir wahrscheinlich direkt von hier nach Madeira segeln und dort die Grenzöffnung für die Kanaren abwarten. Den Winter möchten wir nämlich gerne auf den Kanaren verbringen. Ob sich das so umsetzen lässt, ist aber derzeit noch völlig unklar. Sicher jedoch ist: Die Idee, für den Sommer nach Irland zu segeln, haben wir definitiv begraben.

Während wir nun also der Dinge harren, die da kommen, freuen wir uns halt einfach darüber, zum Segeln hinausfahren zu können, wenn uns der Sinn danach steht, und schauen uns auch immer wieder gerne die tollen Fotos der Flottillen-Ausfahrt an.

Bis demnächst, herzliche Grüsse aus Lagos von der OKOUMÉ-Crew :-)
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Zwischenbericht aus dem Notstand - es geht uns gut!

29/3/2020

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Vom Segeln können wir momentan nur träumen.
Lange ist es her seit unserem letzten Blogeintrag. Eigentlich wollten wir erst wieder von uns berichten, wenn wir wieder unterwegs sind. Um diese Zeit etwa hatten wir geplant, Lagos zu verlassen und nordwärts zu segeln, unser Ziel für den Sommer wäre Irland gewesen. Und dann kam COVID-19 und alles war anders.

Am 18. März hat Portugal den Notstand ausgerufen. Wir können den Hafen von Lagos nicht mehr verlassen und hängen hier fest. Aber: Es geht uns gut hier, keine Sorge! Thomas hat vor etwa einer Woche einen Zwischenbericht für unsere Freunde und Verwandte verfasst, in dem er beschreibt, wie es hier zu Zeiten der Pandemie so zu und her geht:

Zwischenbericht 2020-03-23

Was in diesem Bericht steht, trifft auch auf die heutige Situation noch mehrheitlich zu, ausser, dass die Einschränkungen betreffend Bewegungsfreiheit noch etwas verschärft wurden. Man darf nun nicht mehr an den Strand gehen und auch nicht am Fluss entlang spazieren. Regula muss sich also eine neue Jogging-Route ausdenken. Wenn es weiter nichts ist… Wir hoffen jedenfalls, dass wir hier in Lagos bleiben können, bis sich die Lage wieder beruhigt. Wir haben das grosse Glück, dass dieser Hafen bestens geschützt ist (sowohl  im Sommer als auch im Winter) und wir keinen Druck haben, aus Sicherheitsgründen hier wegzumüssen, wie zum Beispiel die vielen Segler in der Karibik, wo die Hurrikan-Saison vor der Türe steht. Unser einziges Problem ist, dass hier im Sommer die Preise für die Liegeplätze in die Höhe schnellen. Die Marina hat aber bereits zugesichert, dass man uns preislich entgegenkommen würde, sollten wir wirklich den ganzen Sommer über hier „eingeschlossen“ sein.

Ihr seht also, bei uns ist alles in Ordnung, und wir hoffen, dass es euch allen auch gut geht. Wir versuchen, die Sache so positiv wie möglich zu sehen. Unser Mobilitätswahnsinn ist für einmal gebremst, unser Planet erhält eine Verschnaufpause. Trotzdem freuen wir uns aber auch darauf, irgendwann auf unserem Boot wieder Besuch zu empfangen, mit Freunden ganz ungezwungen zusammenzusitzen und sich auch einmal wieder umarmen zu können. Und irgendwann wieder die Segel zu setzen.

Bis zum nächsten Bericht, bleibt gesund, Thomas & Regula

P.S. Die Ruderanlage unserer OKOUMÉ haben wir anfangs Februar kontrolliert – und konnten keinen Schaden feststellen! Wir haben die neuen Lager eingesetzt, alles gereinigt und mit etwas Silikon-Öl gefettet. Das Ruder sitzt nun perfekt und hat gar kein Spiel mehr. Beim Probesegeln hat auch alles bestens geklappt. Sobald wir dann einmal wieder in gröberer See unterwegs sein werden, wird sich zeigen, ob das Klicken nun Geschichte ist oder ob wir uns definitiv mit dem gespenstischen Geräusch werden anfreunden müssen ;-) Aber vom Segeln können wir momentan ja sowieso nur träumen…

P.P.S. Apropos segeln: Unser Bericht über den Hafen von Velas (auf der Azoreninsel São Jorge) ist nun online auf blauwasser.de. Falls ihr Lust habt, trotz Corona von neuen Ufern zu träumen, könnt ihr hier wenigstens virtuell zu den Azoren reisen: Hafenbericht Velas

P.P.P.S. Und  hier noch ein paar wenige Fotos aus der Algarve:
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Kälbergeburt portugiesische Art – Rückblick und Aussicht zwischen zwei Segelsaisons (Lagos zweiter Winter, Fortsetzung)

25/1/2020

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Auch in der Winterpause
ruft uns die See:
Neujahrsschwimmen in Lagos…







…und Probeliegen in der Rettungsinsel. Erstes gerne wieder, zweites hoffentlich nie im Ernstfall!
Ein regnerischer Dezemberabend in Lagos: Wir sitzen im „A Barrigada“, einem unserer Lieblingsrestaurants in der Gegend. Dieses Mal sind wir mit Regulas Bruder Christian hier, der uns für ein paar Tage an Bord besucht. Wir freuen uns auf den typisch portugiesischen Fisch vom Grill, die Knoblauchkartoffeln, den frischen Gurken-Tomatensalat. Und natürlich auf eine gute Flasche Wein. Wie in allen portugiesischen Restaurants läuft im Hintergrund der Fernseher. Normalerweise wird etwas Unverfängliches gezeigt, zum Beispiel Fussball oder der Wetterbericht; niemand schenkt dem Bildschirm Beachtung, alle widmen sich dem feinen Essen und geniessen das Zusammensein zu Tisch. Den Portugiesen wird das Ignorieren des Fernsehers im Restaurant scheinbar in die Wiege gelegt, und auch wir haben uns mittlerweile angewöhnt, uns vom Bewegtbild beim Essen nicht mehr ablenken zu lassen.

Doch dieses Mal ist es anders: Man hat das Programm gewechselt. Kein Sport, kein Wetter. Jetzt läuft ein amerikanischer Kanal mit Tiersendungen und portugiesischem Untertitel. Anstelle von Ronaldo in Siegerposen schleicht nun ein hungriger Löwe durch die Steppe. Anstatt einer hübschen Meteo-Moderatorin züngelt nun eine hochgiftige Schlange über den Bildschirm. Man serviert uns die Vorspeise: Oktopus-Salat mit Oliven. Im TV macht sich der Löwe über ein Zebra her. Das Blut spritzt, das Zebra zuckt. Wir stossen mit einem guten Glas Wein aus dem Dão-Gebiet auf einen schönen Abend an. Die Schlange würgt gerade eine grosse Maus herunter. Als der Hauptgang kommt, hat die Sendung gewechselt. Jetzt ist eine Doku-Soap über einen Tierarzt an der Reihe. Während wir den Fisch auf unserem Teller auseinandernehmen, wird im Fernseher ein Hund kastriert. Wir zupfen die Gräte aus dem Fisch. Der Tierarzt zieht mit einem Traktor ein Kalb aus einer Kuh. Wir schöpfen uns Kartoffeln und Salat. Sowohl das Kalb als auch die Kuh haben die Geburt überlebt.

Wir versuchen alles, um uns von den Bildern im Fernseher abzulenken. Wir plaudern, konzentrieren uns auf das Essen, besinnen uns auf unsere Geschmacksnerven, beobachten die anderen Gäste. Aber diese Sendung ist einfach zu viel. Im „A Barrigada“ gibt es zwei grosse Bildschirme im Hauptteil des Lokals, und einen kleineren im Eingangsbereich. Wohin man auch guckt: Man kann sich dem doch recht gewöhnungsbedürftigen Fernsehprogramm nicht entziehen. Sogar ein Blick aus dem Fenster bringt nichts, denn es ist schon dunkel und auch in der Spiegelung sieht man noch deutlich genug, dass der abgebrühte Tierarzt gerade eine Katze aufschneidet…  Als das Dessert kommt, sind wir fix und foxi.

Inzwischen waren wir noch zwei weitere Male im „A Barrigada“. In der Hoffnung, die Restaurantleitung hätte die Programmwahl inzwischen überdacht, besuchten wir das Lokal nochmals Ende Dezember, zusammen mit unseren Freunden Gabi und Horst von der ALUA, die ein paar Tage in Lagos Ferien machten. Und siehe da, man hatte wieder auf Fussball umgestellt. Alles gut, dachten wir. Doch als wir dann anfangs Januar mit Thomas‘ Tochter Melanie und ihrem Freund Pascal, die uns über Neujahr an Bord besuchten, im „A Barrigada“ essen gingen, mussten wir feststellen, dass man wieder auf den Tierkanal umgestellt hatte…

Im „A Barrigada“ gibt es den Winter über in regelmässigen Abständen „Fado-Abende“. Schon letzten Winter hatten wir diese Abende sehr genossen; die tragende Musik, der kraftvolle, berührende Gesang und die ganze Atmosphäre hatten es uns sehr angetan. Nächsten Samstag findet wieder so ein „Fado-Abend“ statt und wir haben einen Tisch für 8 Personen reserviert. Wir freuen uns schon sehr auf den Abend mit befreundeten Seglern (es kann lustig werden, denn es wird eine Mischung von Franzosen, Schweden, Engländern und Schweizern am Tisch zusammen kommen) und sind gespannt, welches TV-Programm man uns für diesen traditionellen Musik-Abend vorsetzen wird ;-)

Ansonsten ist es hier im winterlichen Lagos sehr ruhig geworden. Die grossen Touristenmassen bleiben aus, das Leben in der Stadt und im Hafen geht seinen gemächlichen Gang. Es ist auch kühl geworden, nachts fallen die Temperaturen öfters auf unter 5 Grad. So machen wir abends jeweils den kleinen Ölradiator an (oder, wenn es schnell gehen muss, auch mal die festverbaute Dieselheizung), stecken die Füsse in dicke Socken (zumindest Regula) und träumen von der nächsten Segelsaison (momentan schwebt uns als Sommerziel Südirland vor) oder schauen auf die vielen wunderbaren Erlebnisse der bisherigen Reise zurück. Gerne denken wir auch an unsere Überfahrt von den Azoren nach Lagos im September zurück, aus der wir einige Schlüsse gezogen haben, die uns für unsere kommenden Törns Aufwind geben. Diese Einsichten sind keine weltbewegenden Neuerfindungen, sondern allseits bekannte Grundsätze, die man sicherlich auch in verschiedenen Handbüchern findet. Nichtsdestotrotz ist es eine andere Sache, von diesen Dingen nur zu lesen, oder sie in der Praxis zu erleben und herauszufinden, inwiefern sie für einen selber hilfreich sind.

Die – für uns – wichtigsten Punkte sind die folgenden:

○ Gute Vorbereitung bringt Ruhe
In Ponta Delgada warteten wir lange auf ein Wetterfenster für den Sprung ans Festland. Dies hatte auch etwas Gutes: Wir hatten viel Zeit uns auf die Überfahrt vorzubereiten. Ganz in Ruhe konnten wir alle Vorkehrungen treffen, alles war bestens verstaut und verzurrt, sowohl an als auch unter Deck, wir hatten für mehrere Tage vorgekocht und Fleisch eingemacht, für die Nachtwachen lag alles bereit (auch die langen Unterhosen!), alle Hilfsmittel an Bord waren erprobt und funktionstüchtig, die Familie zuhause über unsere Abfahrt informiert. So „aufgeräumt“ und ganz in Ruhe abzulegen, hilft auch mental; ein guter Start in einen, hoffentlich, guten Törn.

○ Gute Wetterdaten unterwegs sinnvoll nutzen
Wir haben an Bord ein Satellitentelefon (Iridium). Mit Hilfe dieses Satellitentelefons können wir auch auf hoher See auf Wetterdaten zugreifen und sogenannte „GRIB-Files“ herunterladen (Wetterinformationen in grafischer Darstellung; wir verwenden hierzu die Software von „Mailasail“ und den Datenfilter über die sogenannte „Redbox“, www.mailasail.com/Communication/Red-Box). Für den Törn von den Azoren nach Portugal hat sich dieses System bestens bewährt, denn in diesen Breiten ist das Wetter oft wechselhaft und ändert von Tag zu Tag. Das Herunterladen von Wetterdaten unterwegs erlaubt es uns, unsere Route entsprechend anzupassen und, zum Beispiel, Stürmen weitmöglichst auszuweichen. Die Vorhersagen waren jeweils auf 48 Stunden hinaus sehr genau. Einmal lagen wir beigedreht, um den Durchzug einer Front abzuwarten; die Vorhersage des Frontdurchlaufs stimmte perfekt, der Wind drehte quasi auf die Minute genau von Südwest auf Nordnordwest!

○ Auf eigenen Erfahrungen aufbauen
Das Interpretieren der Wetterdaten braucht etwas Übung. Hat man einmal seine Erfahrungen gemacht, sollte man auf diese vertrauen und sich keinen Spekulationen hingeben, die einen nur verunsichern. So ist es uns, zumindest, auf dem Törn von den Azoren nach Portugal ergangen: Eines Tages erhielten wir von einer befreundeten Crew, die ebenfalls nach Portugal unterwegs war, eine Wetterwarnung (über das Satellitentelefon haben wir die Möglichkeit, auch auf hoher See mit anderen Crews in Kontakt zu sein, wenn diese ebenfalls ein Satellitentelefon haben; dies kann Sinn machen – wenn man gleichzeitig unterwegs ist, kann man zum Beispiel verabreden, täglich via SMS die Positionen auszutauschen). Der Inhalt der Nachricht war in etwa folgender: „Strong winds forecast for Saturday/Sunday. Will you be in the harbour by then? Take care.” Aufgrund der „GRIB-Files“ wussten wir schon, dass ein Sturmtief heranzog. Gemäss den Vorhersagen, die uns vorlagen, sollten sich die Windstärken in den Breiten, die wir ansteuerten (am südlichen Rand des herannahenden Tiefs), jedoch relativ im Rahmen halten. Die SMS verunsicherte uns aber nun. Hatten wir etwas übersehen? Waren unsere Prognosen nicht korrekt? Wir wussten, dass die verschiedenen Wettervorhersage-Modelle oft weit auseinander lagen, was die längerfristigen Vorhersagen anging. Die Warnung unserer Freunde war gut gemeint, wir konnten damit aber nicht viel anfangen, denn sie warf viele Fragen auf. Unsere Freunde befanden sich zu der Zeit gut 200 nautische Meilen nordwestlich von uns. Hatten sie bei der Warnung an unsere Position gedacht, galt die Warnung auch für den Bereich, den wir in ein paar Tage erreichen würden? Woher stammten ihre Informationen genau? Fragen, die mittels Kurznachricht kaum zu erörtern sind.
Die Kommunikation mittels Satellitentelefon hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist sicherlich, dass es einfach gut tut, von anderen zu hören. Ein positives Wort, ein kurzer Gruss in einer SMS und man ist nicht mehr so alleine auf der weiten See. Andererseits kann man sich nur knapp austauschen und der Austausch findet oft auch nur verzögert statt (manche Crews stellen ihr Satellitentelefon nur einmal täglich an). Zu viele Informationen können manchmal auch hinderlich sein! Sie werfen oft mehr Fragen auf, als sie beantworten. Für uns wäre es im beschriebenen Fall besser gewesen, auf unsere eigenen Wetterdaten zu vertrauen und mit den Informationen zu arbeiten, die wir wirklich einordnen konnten. Alles andere war Spekulation. Wie sich später zeigte, stimmten unsere GRIB-Daten sehr genau. Es war sicherlich gut, wachsam zu sein und sich auf schlechtes Wetter vorzubereiten. Die grosse Aufregung und Verunsicherung war aber umsonst gewesen.

○ Ängsten möglichst rational begegnen
Ich (Regula) habe Angst vor Gewittern. Gewitter gehen oft mit einem Frontdurchlauf einher. Als klar wurde, dass uns im zweiten Teil der Überfahrt eine Front treffen würde, kostete es mich grosse Überwindung, dies hinzunehmen. Im Geist sah ich schon die Blitze in unseren Mast einschlagen. Als die Front dann da war, brachte sie zwar Wind und viel Regen (und eine unangenehme Kreuzsee), aber keine Gewitter. Ich hätte mir die Aufregung also sparen können. Konzentration und eine gewisse Anspannung sind sicherlich nicht falsch, Angst vor dem, was kommen könnte, hilft einem aber nicht weiter. Mit Abstand betrachtet, ist es natürlich einfacher, dies so zu sehen ;-) Auf See wird es für mich wohl immer eine gewisse Überwindung darstellen, die Ungewissheit darüber, wie der Törn tatsächlich verlaufen wird, anzunehmen. Je länger der Törn, umso grösser die Überwindung.

○ Gutes Bauchgefühl an Bord
Unsere OKOUMÉ hat sich in den unterschiedlichsten Situationen, denen wir auf diesem Törn begegneten, bewährt. Sie gibt uns ein sicheres Gefühl, ihr Verhalten ist vertrauenserweckend, sie läuft sehr kursstabil. Unser Boot ist auf jeden Fall stärker als wir und hält viel mehr aus. Wenn wir unter Deck gehen, erfüllt uns, auch bei rauen Bedingungen, ein Gefühl der Ruhe und Geborgenheit. Wir vertrauen auch unserem Autopiloten (Raymarine). Sollte dieser doch einmal ausfallen, haben wir auch eine Windsteueranlage, die rein mechanisch (also ohne Strom) funktioniert. Schlafmangel ist der ärgste Feind einer kleinen Crew. Wenn wir müde sind, wissen wir, dass unser Boot auch unter Autopilot bestens läuft.

○ Gegenseitiges Vertrauen
Wir vertrauen einander. Wenn der eine auf Wache ist, kann der andere beruhigt schlafen (wenn es die Bedingungen zulassen ;-)). Wir halten uns an die ausgemachten Regeln. Zum Beispiel sind wir nachts auch im Cockpit stets angeleint. Wir verlassen das Cockpit nicht, ohne den anderen zu wecken. Und wir wissen und vertrauen darauf, dass sich beide an diesen Grundsatz halten und keine Dummheiten machen.

○ Man übe sich in Geduld
Auch nach vielen Törns noch immer keine einfache Sache. Wenn der Wind ausbleibt oder von vorne kommt, oder der Seegang einen nicht schlafen lässt etc., ist es nicht leicht, gelassen zu bleiben. Aber sich aufzuregen, bringt nichts. Die Natur gibt den Takt an, und wir müssen uns nach ihr richten, eine Erfahrung, die eigentlich sehr wohltuend ist (zumindest im Nachhinein). Also: Wenn man unterwegs (trotz gesetztem Gennaker) von einer Schildkröte überholt wird, sollte man dem Impuls, im nächsten Hafen sein Boot verkaufen zu wollen, nicht nachgeben.
 
Übrigens: In unserem letzten Beitrag haben wir ja vom „Klicken“ in unserer Ruderanlage berichtet. Inzwischen sind die Ersatzteile eingetroffen. Am 3. Februar ist der Krantermin bei Sopromar (der nahen Werft) und wir sind gespannt, was beim Ausbau des Ruders ans Tageslicht kommen wird (und ob überhaupt ein Schaden sichtbar ist). Wir werden euch auf dem Laufenden halten und danken an dieser Stelle nochmals allen, die uns in Sachen Ruder eine Rückmeldung gegeben haben. Wir waren überrascht, zu hören, dass offenbar vielen Seglern ein merkwürdiges Geräusch in der Ruderanlage nicht fremd ist. Es war für uns auch interessant, zu erfahren, dass einige von euch die Ursache des Geräuschs ausmachen und die Sache in Ordnung bringen konnten, während andere einfach nichts fanden, und mit dem „Klicken“ leben müssen (am besten gefallen hat uns der Tipp, die Wollmütze über die Ohren zu ziehen – und weiter geht’s!). Wir werden sehen, zu welcher „Klick“-Gruppe wir gehören werden.

Bis zum nächsten Beitrag, liäbi Grüess us Lagos und vill Spass bi de folgende Föteli,
Thomas & Regula
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Die Sache mit dem „Klick“ - Lagos, zweiter Winter

9/12/2019

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Wer suchet,
der findet
(vielleicht)

Als wir vor knapp 10 Jahren mit der BALU auf Reisen gingen, waren wir recht zügig unterwegs. Damals waren wir von der Ostsee der Küste Westeuropas entlang nach Portugal und von dort über Madeira und die Kanaren in die Karibik gesegelt, und über Kuba, Florida, Bermuda und die Azoren schliesslich wieder in die Ostsee zurückgekehrt, und das alles in zweieinhalb Jahren. Nun, bei unserer zweiten grossen „Auszeit“ unter Segeln, sind auch schon eineinhalb Jahre vergangen – und wir sind noch immer in Europa!

Das soll nicht heissen, dass uns das unter Druck setzen würde. Damals wie heute war das gewählte Reisetempo für uns richtig gewesen. Damals war es für uns stimmig gewesen, Europa nach relativ kurzer Zeit hinter uns zu lassen und gleich in die Karibik weiter zu segeln. Bei unserem jetzigen Törn ist es uns jedoch wichtig, etwas langsamer unterwegs zu sein. Wir wollen auch Europa genügend Zeit widmen. Wir möchten die Ziele nicht nur einfach „abfahren“, sondern wirklich auch etwas von ihnen sehen, etwas über sie erfahren. Wenn uns ein Ort gefällt, bleiben wir etwas länger und versuchen, ein Gespür für den Lebensrhythmus vor Ort zu bekommen, herauszufinden, was die Menschen dort bewegt und was ihr Leben prägt, ob diese Art zu leben uns anspricht, aber auch, welche Schattenseiten es gibt, und ob uns etwas an diesem Ort befremdet. Zum einen machen wir dies so, weil diese Art zu reisen uns einfach entspricht. Zum anderen, weil wir auf der Suche sind nach dem „Klick“ – dem „Klick“ der einem sagt: Hier könntest du dir vorstellen eine Zeitlang zu leben und etwas aufzubauen.

Das unterscheidet unsere jetzige Reise von der damaligen: Als wir damals mit der BALU in See stachen, wussten wir, dass wir wieder in die Schweiz zurückkehren würden. Dieses Mal ist es anders. Jetzt, unterwegs mit unserer OKOUMÉ, ist das „Ende“ der Reise offen. Wir könnten uns auch vorstellen, uns irgendwo im Ausland niederzulassen; eine Rückkehr in die Schweiz ist für uns nicht mehr zwingend. Unser Blick auf die bereisten Ziele ist nun daher ein ganz anderer als damals.

Jedoch: Auch wenn wir bisher viele schöne Orte angesteuert haben – so richtig klick gemacht hat es noch nicht. Die Azoren haben uns zwar gut gefallen, und auch die Blumeninsel Madeira und, vor allem, ihre kleine Nachbarin Porto Santo hatten es uns angetan. Auch hier in Lagos, im Süden Portugals, wo wir nun schon den zweiten Winter an Bord verbringen, fühlen wir uns sehr wohl. Aber wirklich hier zu leben, uns an einem der genannten Orte niederzulassen, können wir uns (noch?) nicht vorstellen. Es fehlt, eben, noch der „Klick“. Vielleicht ist es für den „Klick“ auch einfach noch zu früh. Vielleicht sind wir mental noch zu sehr im Reisemodus, vielleicht locken noch zu viele Ziele?

(Übrigens: Das Thema Reisetempo ist unter Seglern immer ein Gegenstand von Diskussionen. Als wir kürzlich von einem Seglerpaar zum Abendessen eingeladen wurden und von unserer bisherigen Reiseroute erzählten, meinten unsere sympathischen Gastgeber, da seien wir aber flott unterwegs gewesen. Sie hätten für die gleiche Route 20 Jahre gebraucht. Wie schön, dass das Zeitempfinden etwas so Relatives ist!)

Der „Klick“ ist bei uns also noch ausgeblieben, was die bisher besuchten Orte angeht. An Bord der OKOUMÉ haben wir ihn aber schon länger. Und zwar wohnt er irgendwo in der Ruderanlage und macht sich immer bei achterlichem Wind und einer gewissen Wellenhöhe bemerkbar. Das erste Mal hörten wir das Geräusch, als wir vor gut einem Jahr das Kap São Vicente im Südwesten Portugals rundeten. Deutlich, wenn anfangs auch nur leise, war ein Klicken zu vernehmen, das aus dem Bereich des Ruderschafts zu stammen schien. Weil das Geräusch bei den darauffolgenden Törns kaum mehr auftrat, kümmerten wir uns nicht mehr darum. Als wir dann aber von den Azoren nach Portugal zurücksegelten, tauchte es wieder auf und begleitete uns tagelang. Es fing an uns zu beunruhigen. (Wahrscheinlich war das Geräusch zeitweise verstummt, weil wir quasi den ganzen Sommer über Winde von vorne hatten und kreuzen mussten; erst bei der Überfahrt von den Azoren nach Portugal trafen wir wieder auf achterliche Winde und das Klicken war wieder da.)

So gut es ging, kontrollierten wir die Ruderanlage auf See, konnten die Ursache des Geräusches aber nicht ausmachen. Kurz nach unserer Ankunft in Lagos Ende September machten wir uns dann erneut auf die Suche nach dem „Klick“. Unser Freund Bernard, der früher als Segellehrer arbeitete und viel von Booten versteht, half uns dabei, mit viel Geduld und Enthusiasmus (danke, Bernard!). Wir kontrollierten nochmals Punkt für Punkt, was es zu kontrollieren gab, konnten aber nichts Aussergewöhnliches feststellen. Glücklicherweise ist die Ruderanlage auf unserer RM über die Backskisten und den offen gestalteten Technikraum gut zugänglich.

Natürlich haben wir die Sache auch Fora Marine (der Werft in Frankreich, die unser Boot gebaut hat) gemeldet. Inzwischen sind schon zweieinhalb Monate ins Land gezogen und um die 20 E-Mails (auf Französisch) hin und her gegangen und wir sind noch keinen Schritt weiter. Einerseits hat sich die Angelegenheit in die Länge gezogen, weil es immer sehr lange dauert, bis wir auf unsere Anfragen eine Antwort erhalten und ständig nachhaken müssen, andererseits, weil es auch das eine oder andere Missverständnis gab, da Französisch nun mal nicht unsere Muttersprache ist (oder weil die Werft uns nicht verstehen wollte, da es um eine Garantie-Angelegenheit geht, wenn es tatsächlich einen Schaden an der Ruderanlage geben sollte – unser Boot ist erst zwei Jahre alt). Wir lieben unser Boot, aber die Kommunikation mit der After-Sales-Abteilung der Werft braucht wirklich Nerven!

Der Stand ist momentan: Wir möchten die OKOUMÉ diesen Winter aus dem Wasser nehmen und das Ruder ausbauen, um die Lager zu kontrollieren und, falls nötig, zu ersetzen. Wir müssen dies auf unsere eigenen Kosten tun, so die Werft. Erst, wenn wir dabei tatsächlich einen Schaden feststellen, können wir einen Garantieantrag stellen; welcher Betrag uns dann rückerstattet wird (ob nur der Betrag über die benötigten Ersatzteile oder ob auch die vorgenommene Arbeit abgegolten wird), ist völlig offen. Bevor wir mit Sopromar (einer nahegelegenen Werft) einen Krantermin vereinbaren, wollen wir aber die entsprechenden Ersatzteile sicherheitshalber schon da haben, denn wir haben wirklich keine Lust, wochenlang auf dem Trockenen zu bleiben und auf allfällige Ersatzteile warten zu müssen. Die Rechnung für den Liegeplatz im Wasser ist schon bis Ende März beglichen und für den Platz auf dem Trockenen müssten wir extra bezahlen. Und die Aussicht, wochenlang auf dem an Land aufgebockten Boot zu wohnen, reizt uns auch nicht sonderlich.

Für die Bestellung der Ersatzteile hat uns Fora Marine letztendlich direkt an den Hersteller der Ruderanlage (JP3) verwiesen. Leider scheint der zuständige Herr dort ebenfalls eine tiefe Abneigung gegen das Schreiben von E-Mails zu hegen, denn wir warten bereits wieder über eine Woche auf die Bestellbestätigung… Wir versuchen, der Sache mit Humor zu begegnen und fragen uns bisweilen, ob in Frankreich nicht nur die Bahn, sondern auch die ganze Bootsindustrie in den Streik getreten ist. Aber eigentlich ist uns das Lachen vergangen. Von der Werft fühlen wir uns alleingelassen und auch schlecht behandelt, denn in einer der letzten E-Mails hat die Werft einen auffallend scharfen Ton angeschlagen, der, in unseren Augen, Kunden gegenüber völlig unangebracht ist. Da Französisch für uns eine Fremdsprache ist, haben wir die E-Mail französischen Freunden gezeigt, die uns diese Empfindung bestätigt haben.

Aber genug gemeckert! Ansonsten können wir uns wirklich nicht beklagen. Wir sind gut in unserem „Winterlager“ hier in Lagos angekommen. Wir geniessen den perfekt geschützten Liegeplatz, das charmante Dorf und die tolle Seglergemeinschaft in der Marina. Was uns am Überwintern hier in Lagos so gut gefällt, haben wir ja schon in unseren Beiträgen vom letzten Jahr (Dez, Jan, Feb 18/19) beschrieben. Wenn wir nicht gerade wandern, Ausflüge unternehmen, Besuch aus der Schweiz empfangen, mit den Bootsnachbarn plaudern, Musik machen, lesen, Radio hören, kochen, waschen, putzen, das Boot auslüften und entfeuchten, Freunde einladen, auf den Wochenmarkt gehen, oder am Boot arbeiten – und wenn wir mal nicht auf der Suche nach dem „Klick“ sind –, widmen wir uns unseren neuen „Projekten“ oder auch Träumereien. Regula träumt zum Beispiel davon, einmal ein Buch mit nautischen Kurzgeschichten herauszugeben und vertieft sich ab und zu in ihre Notizhefter oder verschanzt sich hinter dem Computer (bis jemand auf einen spontanen Schwatz vorbeischaut oder sie sich von dem Gedanken ablenken lässt, dass das Wetter zu schön sei um vor dem Bildschirm zu sitzen). Thomas hegt ganz andere Sehnsüchte. Er träumt zum Beispiel von einem Boot mit Bodenheizung. Oder von einem grossen Subwoofer zur Vervollständigung der Musikanlange an Bord der OKOUMÉ (und sieht sich schon unter dem vorwurfsvollen Blick Regulas ein bedenklich grosses Loch in die Innenabdeckung fräsen). Einen satten Bass toppen könnte in Thomas‘ Augen nur noch ein Edelstahlanker der Marke ULTRA. Seit Neuestem liegt eine Auswahl an Ankern dieser verheissungsvollen Marke im Empfangsbereich von Sopromar aus (der nahen Werft mit Schiffsausrüster). Weil diese Anker nicht nur in Sachen Haltekraft und Design das Nonplus-ULTRA sind, sondern eindeutig auch was den Preis betrifft, muss Regula Thomas regelmässig am Hemdzipfel an den Prachtstücken vorbei aus dem Laden zerren, bevor er der Versuchung erliegt…

In unserem letzten Bericht hatten wir ja versprochen, nochmals auf unsere Überfahrt von den Azoren nach Portugal zurückzukommen und zusammenzufassen, was wir daraus gelernt hatten. Wegen des „Klicks“ ist dieser Eintrag nun ganz anders ausgefallen. Vielleicht haben wir auch zu viel Tristram Shandy gehört (es gibt eine deutsche Hörspielfassung, die wir uns manchmal, in besonders dunklen Winternächten, zu Gemüte führen; wir sind inzwischen bei Folge 5 von 9 angelangt). Für alle, die Tristram Shandy nicht kennen: Tristram Shandy ist eine Figur des Autors Laurence Sterne, der im 18. Jahrhundert gelebt hat. In Sternes Buch versucht Tristram seine Lebensgeschichte  aufzuschreiben, verzettelt sich aber ständig und schweift immerzu in Nebensächlichkeiten ab, so dass er es nicht einmal schafft, im ersten Band seiner Autobiographie seine eigene Geburt zu beschreiben…

Für einmal nehmen wir uns also Tristram zum Vorbild und verschieben die versprochene Zusammenfassung auf das nächste Mal ;-) Inzwischen wünschen wir allen eine frohe und ruhige Weihnachtszeit, und einen nicht allzu grauen Winter :-)
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Eine Woche Wasser und Wind – unsere Überfahrt von den Azoren nach Portugal

10/10/2019

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Abendrot – Schönwetterbot?
Ende August 2019. Wir liegen in der Marina Ponta Delgada auf der Azoreninsel São Miguel. Langsam wird es Zeit für uns, die Azoren zu verlassen und zurück ans Festland zu segeln. Mit dem Herbst kommen die Tiefdruckgebiete und Sturmtiefs Richtung Azoren, die wir nach Möglichkeit vermeiden möchten. Unser Ziel ist Lagos oder irgendein anderer Hafen an der portugiesischen Küste – je nachdem, mit welchen Winden wir es unterwegs zu tun bekommen.

Wir sind mit unserem Plan nicht allein. In der Marina von Ponta Delgada liegen noch einige andere Segelboote, deren Crews ebenfalls in den Startlöchern sind und entweder, wie wir, nach Portugal oder dann nach Madeira segeln wollen. Und uns allen geht es gleich: Wir sind bereit – aber das Wetter macht uns einen Strich durch die schöne Rechnung. Das Azorenhoch hat sich nordöstlich der Inseln etabliert und sorgt auf unserer Route für stabile Ost- bis Nordost-Winde. Bei dieser Wetterlage könnten wir hart am Wind vielleicht gerade mal Madeira erreichen – wenn überhaupt. Das Hoch macht keinen Wank! Täglich konsultieren wir die Wettervorhersagen und jedes Mal zeigt sich das gleiche Bild: Starkwind aus Ost-bis Nordost für die nächsten 10 Tage… Morgen auf Morgen folgt das gleiche Ritual. Wir treffen uns mit den anderen Seglern auf dem Steg und besprechen die neuesten Wetterdaten, nur um immer zum gleichen Schluss zu kommen: „Il y a rien – no weather window for the next 10 days!“. Wir fühlen uns schon wie im Film „Und täglich grüsst das Murmeltier“. Vielleicht wird sich das Wetter nie mehr ändern und wir verbringen den Rest unseres Lebens im Hafen von Ponta Delgada. Und jeden Morgen empfängt einen derselbe Spruch auf dem Steg: „Hast du den neuen Wetterbericht schon gesehen?“

Bis sich dann doch noch etwas an der Wetterlage ändert, vergehen ganze drei Wochen. Drei Wochen, in denen wir uns in Geduld üben und uns im schwelligen Hafen von Ponta Delgada durchschaukeln lassen. Drei Wochen – die trotzdem einfach toll sind! Geteiltes Leid, ist halbes Leid; immer wieder sitzen wir mit den anderen Crews bei einem Kaffee oder einem Glas Wein zusammen und verbringen entspannte und gesellige Abende im Cockpit, mal auf diesem Schiff, mal auf jenem. Zudem haben wir auch noch Zeit, Ausflüge mit Freunden von uns zu unternehmen, die auf São Miguel ein Ferienhaus besitzen. Wir geniessen die Zeit mit ihnen sehr, und so vergehen die drei Wochen schliesslich im Handumdrehen.

Am 15. September 2019 heisst es dann „Leinen los“. Vor uns liegen knapp 900 nautische Meilen und eine gute Woche auf See... Zusammen mit den englischen Booten ERICA und PAVO legen wir von Ponta Delgada ab. Die französische SAMIRENA hat eine gute Stunde Vorsprung. PAVO und SAMIRENA wollen nach Lagos, ERICA hat Porto zum Ziel. Die Boote sind sehr unterschiedlich was die Segeleigenschaften angeht und nach ein paar Stunden haben wir uns bereits aus den Augen verloren. Mit SAMIRENA tauschen wir jedoch täglich mittels einer Kurznachricht über das Satellitentelefon unsere jeweiligen Positionen aus.

Die ersten beiden Tage auf See verlaufen recht ruhig, die Bootsbewegungen halten sich im Rahmen und wir kommen schnell in den Rhythmus des Bordlebens unterwegs. Der Wind weht nur sehr schwach und hat leider meist einen östlichen Einschlag. Wir wechseln ab zwischen Segeln am Wind und langsamer Fahrt unter Motor. Sinnlos herumtrödeln möchten wir aber auch nicht, denn wir wollen genügend Abstand zwischen uns und das Tief bringen, das in zwei Tagen die Azoren erreichen und dann nordwärts drehen soll. An den ersten beiden Abenden frischt der Wind etwas auf und kommt direkt aus Osten, also genau von vorne (what else!!). Nach ein paar Stunden ist der Spuk jedoch wieder vorbei und wir können unseren Kurs Richtung Lagos – mehr oder weniger – halten.

Am dritten Tag schläft der Wind vollkommen ein und auch die See beruhigt sich immer mehr. Ab und zu geht ein kleines Lüftchen (1-5 Knoten Wind). Wir packen den asymmetrischen Spinnaker aus und geben alles, trimmen, zupfen an den Leinen, ändern den Kurs, stehen auf dem Deck und pusten in das schlaff herabhängende Ballonsegel… und machen gerademal zwischen 0 und 2 Knoten Fahrt. Als uns schliesslich eine Schildkröte in Luv überholt, holen wir den Spi wieder ein, und merken, dass wir ohne das grosse Leichtwindsegel noch immer die gleiche „Fahrt“ machen – wir bewegen uns nicht wegen des Winds, sondern treiben einfach in einer leichten Strömung! Auch die Nachtwachen sind bisher ruhig verlaufen. Regula kann inzwischen das Sonnet Nummer 23 von Shakespeare auswendig und Thomas vertreibt sich die Zeit mit der Beobachtung von Sternschnuppen und dem Aufgang des Vollmonds. In unseren Freiwachen können wir beide gut schlafen.

Am Morgen des vierten Tags auf See erhalten wir, wie jeden Morgen, eine SMS von SAMIRENA auf dem Satellitentelefon. Als wir die Position der beiden Franzosen mit der unsrigen vergleichen, stellen wir erstaunt fest, dass sich die beiden Boote in unmittelbarer Nähe befinden. Wir rufen die SAMIRENA über Funk – und erreichen sie tatsächlich! Später sehen wir gar das kleine, weisse Dreieck ihres Segels am Horizont. Es ist einfach grossartig und schön, sich mitten auf dem Atlantik zu begegnen! Am Nachmittag ist das Segel achteraus am Horizont verschwunden.

Die Wettervorhersage ist leider etwas weniger schön: Wir erwarten den Durchzug von zwei Fronten. Eine erste, recht schwache soll uns noch am gleichen Tag erreichen. Eine zweite, wohl sehr aktive, wird für Freitag oder Samstag (unseren 6. und 7. Tag auf See) vorhergesagt. Sie ist Teil eines Sturmtiefs, dessen Zugbahn erstaunlich weit südlich im Atlantik liegt. Das Tief zieht in Richtung portugiesische Küste… Regula ist sehr beunruhigt. Ihre Angst vor Gewittern macht sich Raum, denn Fronten von Tiefdruckgebieten gehen oft mit Gewitterzellen einher. Auf dem Computer sehen die Wetterfiles zudem furchterregend aus. Thomas beruhigt. Gemeinsam schauen wir uns die Wetterdaten nochmals differenziert an und entscheiden uns, ab sofort möglichst südwärts zu halten. Dann sollten wir den stärksten Winden entgehen können. Natürlich frischt nun der angesagte Wind aus Süden langsam auf. Hart am Wind segeln wir in die Nacht – Kurs Südost.

In der Nacht zum fünften Tag auf See dreht der Wind wieder auf Ost-Südost und bläst uns mit 20 Knoten direkt auf die Nase. Wir sind verwirrt, denn das war nicht vorhergesagt! Es regnet in Strömen, die Sicht ist minimal. Wir liegen beide im Cockpit auf dem Boden, im Schutz der Sprayhood, auf die der Regen prasselt, und segeln ins Nirgendwo, scheinbar gefangen in einer unfreundlichen, grauen Welt – ob sie uns jemals wieder frei gibt? Am Vormittag dreht der Wind dann endlich auf Südwest (und später auf West), die Wolken reissen auf und wir machen bei 5 bis 6 Beaufort flotte Fahrt. Der neue Wetterbericht hat den Starkwind für Freitag/Samstag etwas zurückgenommen. Gemäss den neuen Daten ist zudem der Wind weiter südlich nicht weniger stark als auf unserer jetzigen Breite. Es lohnt sich also nicht, noch weiter südlich zu fahren, und wir nehmen direkt Kurs auf das Kap São Vicente an der Südwestküste Portugals.

Am Abend sucht ein kleiner Vogel Zuflucht in unserem Cockpit. Er ist wirklich winzig, ein kleiner flauschiger Ball, der sich erst unter der Sprayhood ausruht und sich dann daran macht, das Bootsinnere zu entdecken und wild herumflatternd für Aufregung unter der Crew sorgt. Wir füttern den kleinen Wicht mit Knäckebrot-„Brösmeli“ und richten ihm in einem Hut ein kleines Nest. Nach ein paar Stunden ist er verschwunden. Was macht ein so kleiner Vogel hier draussen auf dem Atlantik, mehrere hundert Seemeilen von der Küste entfernt?

Den sechsten Tag verbringen wir mit Vorbereitungen auf den Starkwind und die Front, die uns, genau wie vorhergesagt, morgens um 6 Uhr des siebten Tags auf See einholt. Um die Front möglichst schnell durchziehen zu lassen, drehen wir schliesslich bei (das heisst, wir stoppen das Boot durch ein bestimmtes Manöver mit einer gewissen Segelstellung auf). Wir liegen am Boden, in voller Montur (Ölzeug, Rettungsweste, Lifebelt), Thomas oben im Cockpit, Regula unten in der Kajüte. Wir sind beide müde und übernächtigt (und ganz schön nass!). Der Regen peitscht horizontal über die OKOUMÉ, der Seegang nimmt zu. Trotz Wind und Wellen liegt die OKOUMÉ beigedreht (unter Reff 3 im Gross und Kreuzfock) erstaunlich ruhig. Nach einer Weile haben wir Vertrauen in unsere gegenwärtige Situation gewonnen, kochen Kaffee und checken die neuesten Wetterdaten. Diese versprechen, dass der Wind zwischen 9 und 10 Uhr UTC von Südwest auf Nordnordwest dreht. Und so ist dann auch, kurz vor 10 ist der Windreher da! Wie genau die Vorhersagen sind! Schnell klarieren wir die Fock, und haben anfangs in der grauen Welt um uns noch etwas Orientierungsschwierigkeiten und wenden einmal zu viel… Aber schliesslich sind wir auf Kurs – und wie! Die See ist eindrücklich und grob; die Nordwest-Welle legt sich über die alte Dünung aus Süden und unsere OKOUMÉ tanzt über die Seen, die von allen Seiten zu kommen scheinen. Der Wind hält sich aber mit bis zu 30 Knoten in Grenzen, die Wolken lichten sich, die Sonne bricht durch und das Segeln macht sogar Spass! Anfangs steuern wir abwechselnd von Hand, dann sind wir aber zu müde und überlassen das Ruder dem Autopiloten, der das Boot auch bei diesen anspruchsvollen Bedingungen perfekt auf Kurs hält. Unsere OKOUMÉ verhält sich sehr vertrauenserweckend, wir kommen gut vorwärts und können uns so langsam wieder entspannen. Die Front ist durch (ohne Gewitter, notabene), der Himmel wird immer blauer und der schöne Wind begleitet uns bis in den Abend.

Für den Rest der Reise weht der Wind aus Westen (also von hinten) mit 2 bis 4 Beaufort. Anfangs ist die Dünung noch beträchtlich, dann nimmt auch sie langsam ab und wir können während unserer letzten Nacht auf See wieder geregelt unsere Wachen gehen. Wir geniessen nochmals den klaren Sternenhimmel und den grossen Mond in dieser eigenen Welt der Ruhe jenseits der Hektik des Lebens an Land.

In der darauffolgenden Nacht erreichen wir die portugiesische Küste beim Kap São Vicente. Wie intensiv die Düfte der Küste auf uns wirken! Auf Höhe des Fischerhafens Baleeira steigt uns ein unverkennbares Fischaroma in die Nase; dann dominiert ein Duft nach Holz und Gebüsch unsere kleine Welt an Bord. Um 2 Uhr in der Früh schleichen wir im Dunkeln in den Hafen von Lagos und machen am Empfangssteg vor dem Hafenbüro fest. Die Marina ist gut besucht, am Empfangssteg gibt es nur noch eine kleine Lücke, in die unsere OKOUMÉ glücklicherweise genau hinein passt. Flüsternd räumen wir etwas auf und lassen uns dann erleichtert in die Kojen fallen.

Seit unserer Ankunft hier in Lagos sind nun schon zwei Wochen vergangen. Anfangs war uns der Trubel im und um den Hafen fast etwas zu viel, wir „litten“ an Reizüberflutung. Auf den Azoren ging es schon noch etwas ruhiger zu und her und während der Woche auf See waren wir ganz auf uns allein gestellt gewesen. Inzwischen haben wir uns aber wieder eingewöhnt und geniessen das bunte Hafenleben in vollen Zügen. ERICA ist wohlbehalten in Porto eingetroffen und etwa einen Tag nach uns haben auch PAVO und SAMIRENA die Küste der Algarve erreicht. Natürlich haben wir zusammen auf die gelungene Überfahrt angestossen…

Hier in Lagos waren wir ja schon den letzten Winter über und es ist schön, hier angekommen zu sein. Wir haben bereits viele bekannte Gesichter wieder getroffen und auch schon wieder neue Bekanntschaften gemacht. Nun steht bald Besuch aus der alten Heimat (der Schweiz) an, worauf wir uns besonders freuen. Eigentlich ist also alles paletti – wenn da Hurrikan Lorenzo nicht wäre, der in der Nacht zum 2. Oktober direkt über die Azoren zieht! Wir zittern mit unseren Freunden, die noch auf den Azoren weilen und sind froh, dass sie den Sturm schadlos überstehen. Es kommen aber nicht alle Azoren-Bewohner so glimpflich davon. Die westlichen Inseln werden hart getroffen; der Hafen von Lajes auf der Insel Flores wird komplett zerstört. 2012 hatten wir mit der BALU auf dem Rückweg von der Karibik in diesem idyllischen Hafen festgemacht. Wir sind schockiert, als wir nun die Bilder der Zerstörung sehen und es ist nicht einfach, den Gedanken einzuordnen, dass wir vor kurzem selber noch auf den Azoren waren…

Die Überfahrt von den Azoren war für uns in vieler Hinsicht sehr lehrreich. Welche Schlüsse wir aus den Erfahrungen gezogen haben und wie wir die Reise rückblickend betrachten, werden wir beim nächsten Mal erzählen. Bevor ihr euch langweilt, folgen hier zur Abwechslung und zum Abschluss lieber ein paar Fotos ;-)

Sonnige Grüsse aus Lagos von eurer OKOUMÉ-Crew, Thomas & Regula
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Feuer im Hafen und Blauwasser im Kopf - von São Miguel nach São Jorge und Terceira

25/8/2019

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Lieber Dampf
aus der Erde
als Rauch
über dem Hafen!
Ein gemütlicher Sommertag im Hafen von Angra do Heroísmo auf der Azoren-Insel Terceira: Thomas kümmert sich um die Wartung des Baumniederholers, Regula sitzt unter dem Sonnensegel im Cockpit und schreibt in ihr Notizbuch. Ein grosses Motorboot fährt an uns vorbei in Richtung Tankstelle und beginnt plötzlich laut und anhaltend zu hupen. Was ist los? Regula schaut verdutzt von ihrem Heft auf. „Da brennt ein Boot!“ Thomas steht auf dem Deck der OKOUMÉ und deutet aufgeregt zum keine 40 Meter entfernten Empfangssteg hinüber. Tatsächlich, ein Motorboot steht in Flammen, direkt vor dem Marinagebäude und in unmittelbarer Nähe der Tankstelle! Das vorbeifahrende Schiff hat gehupt, um Alarm zu schlagen. Leute eilen herbei und auch Thomas schnappt sich einen unserer Feuerlöscher – doch es ist schon zu spät, das Boot brennt lichterloh und die Versuche, dem Feuer mit herkömmlichen Feuerlöschern beizukommen, scheitern kläglich. Dicker schwarzer Rauch steigt auf. Die immense Hitze des Feuers ist trotz Gegenwind (glücklicherweise weht der Wind nur schwach und auch von uns weg!) bis zu uns hinüber spürbar. Am Ende unseres Stegs und sehr nahe am brennenden Motorboot liegt eine Hallberg Rassy-Jacht, niemand ist an Bord. Wir stehen mit dem Wasserschlauch neben dem schönen Segler und hoffen, dass die Festmacher des brennenden Motorboots halten und das Boot nicht im Hafen umherzutreiben beginnt. Bange Momente: Wo bleiben die Bombeiros (die örtliche Feuerwehr)? Zwei Tage zuvor hatten wir die Feuerwehrleute beim Folklorefest noch fröhlich trommelnd durch die Stadt ziehen sehen – jetzt gilt es ernst.

Plötzlich kommt ein Jetski-Fahrer herangebraust. Geschickt beschleunigt er, schlägt auf Höhe des brennenden Bootes enge Haken und produziert auf diese Weise Wellen, die über das Boot waschen. So etwas haben wir noch nie gesehen! Nach einer Weile hat er den Dreh perfekt raus und mit einer letzten gezielten Welle löscht er das Feuer. Nun kommt endlich auch die Feuerwehr und sichert die Lage - wir können ausatmen! Die lärmigen Jetskis sind normalerweise ja nicht gerade des Seglers beste Freunde; in Zukunft werden wir uns aber hüten, uns über sie aufzuregen ;-) Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, hätte der Jetski-Fahrer nicht so beherzt eingegriffen. Wie wir später von einem Mitarbeiter der Marina erfahren, war ein Kabelbrand der Auslöser des Feuers gewesen. So nah mitzuerleben, wie schnell sich ein Brand auf einem Boot ausbreitet, hat uns sehr beeindruckt. Eine schaurige Vorstellung – Feuer an Bord ist wohl wirklich das Worst-Case-Szenario, auf hoher See bleibt einem da nicht viel Zeit, die Rettungsinsel klarzumachen…
Über die spektakuläre Löschaktion des Jetski-Fahrers berichteten auch die lokalen Medien: Bericht RTP Azoren.

Aber nun zu erfreulicheren Dingen. Von dem aufregenden Nachmittag im Hafen von Angra einmal abgesehen, liegen ein paar schöne, sonnige und entspannte Wochen auf den Azoren hinter uns. Wir haben die Langsamkeit (wieder-)entdeckt und bleiben meist zwei Wochen in den angelaufenen Häfen hängen. Dies einerseits, weil wir uns für die jeweilige Insel Zeit nehmen wollen, andererseits, weil immer dann, wenn wir bereit wären, weiterzusegeln, das Wetter umschlägt, der Wind tagelang aus der falschen Richtung weht oder es gar keinen Wind und dafür Wellen satt gibt. Dass meist Nordwestwind ist, wenn wir nach Nordwesten wollen, kennen wir ja schon von unserer Überfahrt von Madeira zu den Azoren. Dies können wir ja noch nachvollziehen, denn die Azoren befinden sich nun mal in einer Westwindzone. Schlau wie wir sind, nutzen wir daher eine der wenigen Ostwindlagen und segeln von São Miguel aus über Nacht gleich nach São Jorge und lassen das auf dem Weg liegende Terceira vorerst aus. Von São Jorge aus können wir dann ja jederzeit mit dem vorherrschenden Westwind nach Terceira zurück, so der Gedanke. Und was passiert: Südlich der Azoren etabliert sich eine Tiefdruckrinne, die für kräftigen Ostwind sorgt… Unser Boot kennt langsam nur noch Am-Wind-Kurse, Vorwindsegeln ist allmählich ein Fremdwort für uns. Als der Wind auf dem Schlag nach Terceira dann doch noch etwas dreht und die OKOUMÉ an Fahrt verliert, brauchen wir eine Weile, um zu begreifen, dass wir ja die Schoten fieren könnten ;-)

Wie gemütlich wir unterwegs sind, zeigt sich nicht nur daran, dass seit mehreren Wochen eine Spinne in unserem Windpiloten wohnt (werden Spinnen eigentlich nie seekrank?). Unsere Entschleunigung wird auch im Gegensatz zur Emsigkeit der Charterboote deutlich, die geschäftig von einer Insel zur nächsten hüpfen. Langsam kennen wir die Namen der Mietboote, denen wir immer wieder begegnen. In der Zeit, die wir in einem Hafen verbringen, fahren die gleichen Charterboote nicht nur mehrmals ein und aus, sie haben teilweise auch schon eine neue Crew an Bord…

Im Vergleich zu unserer früheren Reise mit der BALU ist es auffallend, wie viele Charterboote mittlerweile auf den Azoren unterwegs sind. Damals, als wir 2012 von der Karibik kommend auf den Azoren Halt machten, hatten wir keine Charterboote gesehen, oder sie waren uns zumindest nicht aufgefallen. Und was für uns auch neu ist: Es scheint immer mehr in Mode zu kommen, nicht nur ein Schiff zu mieten, sondern gleich einen Skipper dazu. Ein gemieteter Skipper trägt dann nicht nur die Verantwortung für Boot und Besatzung, sondern ist gleichzeitig Reiseleiter und Mädchen für alles. Immer wieder konnten wir beobachten, wie der Skipper das Boot allein bedient und im Hafen anlegt, während die Crew (oder besser gesagt die Kundschaft) teilnahmslos im Cockpit sitzen bleibt und keinen Finger rührt. Andere Segler eilen dann hilfsbereit hinzu, um die Leinen anzunehmen... Anschliessend machen sich die Kunden fein für den Ausgang und der Skipper räumt das Boot auf, spritzt es mit Süsswasser ab, steckt den Strom ein usw. Manchmal kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auf diese Weise verkommt doch der schönste Segeltörn zum reinen Konsum.

Während wir uns einmal wieder vom Ostwind schütteln lassen, wünschen wir euch nun viel Spass mit der Bildergalerie zu São Miguel, São Jorge und Terceira. Até a próxima! Cheerio vo oiere OKOUMÉ-Crew
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Vom Bolo do Caco zur Ananas - Oder: Wie die OKOUME doch noch von Madeira zu den Azoren segelte

11/7/2019

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Santa Maria –
Ilha do Sol (Sonneninsel):
Wir sind auf den Azoren
angekommen!

Was lange währt, wird endlich gut. Nachdem wir über einen Monat auf ein Wetterfenster gewartet haben und einmal sogar wieder umgekehrt sind, erreichen wir am 1. Juli die Insel Santa Maria, das südöstlichste Eiland der Azoren. 4 Tage und Nächte und 520 Seemeilen liegen seit Porto Santo (Madeira) hinter uns, als wir am späteren Nachmittag bei ruhigen Bedingungen in den gut geschützten Hafen von Vila do Porto einlaufen. Wir freuen uns wirklich riesig, hier auf der Ilha do Sol – der Sonneninsel der Azoren – angekommen zu sein!

Und das Beste ist: Rückblickend können wir sagen, dass das lange „Warten“ auf Madeira eigentlich ganz gut war. So haben wir Orte auf Madeira kennen und schätzen gelernt, die uns sonst entgangen wären. Zum Beispiel das ganz im Westen der Insel gelegene Calheta, das nur wenig von Seglern besucht wird. Von der Steinschlagproblematik einmal abgesehen (siehe unseren Eintrag vom Juni) hat der hauptsächlich von Sport- und Berufsfischern genutzte Hafen eine eigene Atmosphäre, und das Leben im Ort ist entspannt und gelassen. Nach unserem missglückten ersten Versuch, zu den Azoren zu segeln, bleiben wir ganze zwei Wochen in Calheta „hängen“ und können so auch das Fest zu Ehren des São João, das dieses Jahr am 21. und 22. Juni stattfindet, miterleben. Am Strand gibt es Konzerte mit freiem Eintritt für alle und ein farbenfroher Umzug zieht Zuschauer von der ganzen Insel Madeira an. An der Promenade locken Bars und Stände mit Poncha (einem süsslichen alkoholischen Getränk mit Honig), Coral (dem inseleigenen Bier) und natürlich mit frischem Bolo do Caco (einer Art Fladenbrot, das meist warm und mit viel Knoblauchbutter gegessen wird). Natürlich darf auch „Frango assado“ nicht fehlen, gegrilltes Hähnchen mit einer Marinade aus Öl, Peperoni und Gewürzen. Um ein Grillhähnchen zu ergattern, braucht es jedoch etwas Geduld und eine gewisse Unempfindlichkeit gegen Rauchschwaden. Der typische Fettgeruch hängt auch nach tagelangem Auslüften noch in den Kleidern…

Zusammen mit der Crew der RUFFIAN (für lange Zeit neben uns das einzige andere bewohnte Segelboot im Hafen von Calheta) besuchen wir das Konzert von Pedro Abrunhosa, einem in Portugal seit Jahrzehnten bekannten Musiker und Künstler. Als Vorgruppe tritt eine portugiesische Elton John-Tribute-Band auf, die es wirklich drauf hat! Wir geniessen die sternenklare, warme Nacht, die tolle Musik und die gute Stimmung. Wir lernen einen Einheimischen kennen, der uns einiges über Pedro Abrunhosa erzählt. Er freut sich sehr, dass wir uns für die portugiesische Musik begeistern können und lädt uns alle auf ein Bier ein. Für uns ist das Bier auf den portugiesischen Inseln, das im Schnitt um 1 Euro kostet, verhältnismässig günstig – bei den Menschen, die auf den Inseln wohnen und hier für ein bescheidenes Gehalt arbeiten, sieht das natürlich ganz anders aus und wir schätzen die Einladung sehr.

Während der Zeit des „Wartens“ auf das gute Wetterfenster ist es uns also nicht allzu schlecht ergangen ;-) Gefreut haben wir uns auch darüber, viele nette Leute kennenzulernen, wie zum Beispiel die erwähnte Crew der RUFFIAN oder auch den bekannten Segler und Autor Sönke Rövers. Auf Porto Santo läuft er uns plötzlich über den Weg. Damals, als seine Frau Judith und er mit der HIPPOPOTAMUS um die Welt segelten, hatten wir, wie so viele andere, die Reise der beiden Segler aufmerksam verfolgt. Die Erlebnisse, die die beiden in ihrem Blog so eindrücklich schilderten, hatten uns ermutigt, 2010 selbst loszusegeln, damals noch mit der BALU, unserem früheren Segelboot. Es war schön und interessant, Sönke nun auch im realen Leben anzutreffen und mit ihm bei einem Sundowner an Bord der OKOUMÉ etwas zu plaudern.

Die Geduld hat uns aber nicht nur schöne Orte entdecken und nette Menschen treffen lassen, sie hat uns schliesslich auch eine gute Überfahrt zu den Azoren beschert:

Am 27. Juni legen wir um die Mittagszeit in Porto Santo ab und umfahren die Insel im Osten, denn der Wetterbericht sagt für diesen Tag noch Winde aus Nordwest voraus und wir wollen keinen Meter Nord verlieren. Dies bedeutet zwar, dass wir zuerst etwa 5 Seemeilen gegen Wind und Wellen motoren müssen, dafür haben wir aber von der Nordküste Porto Santos aus die bessere Ausgangslage, im Luv am westlich gelegenen Madeira vorbeizukommen. Der Wetterbericht stimmt: Als wir die Nordseite Porto Santos erreicht haben, kommen wir bei ca. 4 Windstärken hart am Wind gut vorwärts und machen flotte Fahrt westwärts. Nur der Seegang macht uns etwas zu schaffen. Die Wellen sind zwar nicht so hoch (ca. 2 Meter), sie sind jedoch recht kurz und steil. Wir vermeiden es, länger als nötig nach unten zu gehen und bleiben lieber an der frischen Luft…

Wir müssen uns erst an den Gedanken gewöhnen, dass unsere Welt nun 4 Tage lang schräg sein wird, denn gemäss Vorhersagen wird es während der ganzen Distanz beim Am-Wind-Kurs bleiben. Da wir jedoch eher schwache Winde erwarten (zwischen 1 und 4 Beaufort), passt das nicht schlecht. So können wir immerhin segeln; für einen Kurs mit achterlichem Wind würden diese Stärken kaum reichen. Zudem schiebt die OKOUMÉ wegen ihrer hohen Grundstabilität nur recht wenig Lage und mit der Zeit ist es ganz normal, die Schapps mit der nötigen Vorsicht zu öffnen und beim Kochen die Utensilien so zu platzieren, dass sie nicht ins Lee rutschen. Zum Glück hat unsere Pantry gut dimensionierte Schlingerleisten!

Am zweiten Tag kommt der Wind für ein paar Stunden aus Nord und später gar für eine kurze Weile aus Nordnordost. Freude herrscht an Bord und wir meinen schon, etwas abfallen zu können – da dreht der Wind wieder westwärts. Wir fragen uns, ob es in dieser Welt eigentlich auch noch etwas anderes gibt als Nordwestwind und ob wir jemals die Azoren anliegen können oder in die Karibik abdrehen müssen… Zum ungünstigen Wind gesellen sich auch noch ein paar dunkle Regenwolken, was die Stimmung der Crew nicht gerade fördert. Gegen Abend hin lösen sich die dichten Wolken jedoch wieder auf und am dritten Tag kommt er endlich, der ersehnte Nordost-Dreher! Der Wind pendelt nun zwischen 2 und 3 Beaufort, der Seegang nimmt merklich ab, die Sonne scheint von einem quasi wolkenlosen Himmel und wir segeln gemütlich unserem Ziel entgegen. Auch für Regula, die während der ersten 48 Stunden noch mit der Übelkeit gekämpft hat, ist das Unwohlsein nun definitiv passé. Thomas hat seine Seemannsbeine schon früher gefunden. Am letzten Tag erreichen wir das Zentrum des Azorenhochs. Der Wind fällt nun vollends zusammen und wir legen die letzten Seemeilen per Motor zurück.

Insgesamt ist es wirklich ein sehr schöner und ruhiger Törn geworden, mit 4 sternenklaren Nächten (das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen!). Tagsüber erhalten wir Besuch von Möwen und Tölpeln und ab und zu guckt ein zerfurchter Schildkrötenkopf zu uns hoch. Am letzten Tag sehen wir in einiger Distanz verschiedene Wale, einen Hai und immer wieder portugiesische Galeeren, die giftigen Quallen, die mit dem Wind durch das Wasser gleiten, ihr halbtransparentes, violett schimmerndes „Segel“ weit aufgespannt. Kurz vor Vila do Porto sorgt eine Schule kleinerer Pilotwale für Aufregung – die Tiere sind plötzlich ganz nah und tauchen nur wenige Meter vor dem Bug der OKOUMÉ wieder ab.

Anderen Schiffen begegnen wir während der zurückgelegten 520 Seemeilen kaum. Ein bis zweimal pro Tag erscheint ein Signal auf dem AIS. Meist kommen uns die Schiffe jedoch nicht nahe genug, sodass wir sie nur auf dem Bildschirm, nicht aber in Natura sehen können. Manchmal haben wir das Gefühl, in dieser friedlichen Welt aus Blau ganz allein zu sein. Weil alles so ruhig scheint, ist der Gedanke, die Wache etwas locker anzugehen, schon sehr verlockend. Wir hätten gute Lust, abends einfach beide schlafen zu gehen. Am dritten Tag jedoch werden wir einmal wieder eines Besseren belehrt: Tatsächlich erscheint ein Tanker am Horizont und hält genau auf uns zu. Wir rufen das Schiff über Funk und sind positiv überrascht, als wir umgehend eine Antwort erhalten. Mit freundlicher Stimme erklärt uns der Funker des Tankers, er habe uns bereits beobachtet und unseren Kurs und unsere Geschwindigkeit überprüft. Er ändert freundlicherweise seinen Kurs etwas nach Steuerbord, um uns die Vorfahrt zu lassen. Auf dem AIS sehen wir, dass der Tanker 226 Meter lang ist – das wäre ein böses Erwachen gewesen (zumindest für die Crew der OKOUMÉ), wären alle Beteiligten blind über den so einsam scheinenden Ozean geschippert. Wir werden weiterhin brav unsere Wachen gehen, scheint die Umgebung auch noch so ruhig!

Nun sind wir bereits seit über einer Woche in Vila do Porto auf Santa Maria. Der gut geschützte Hafen mit seiner Yachtie- und Fischer-Atmosphäre und der kleine, nur wenig touristische Ort haben es uns auf Anhieb angetan. Und auch hier haben wir bereits wieder viele nette Bekanntschaften gemacht. Einige Segler, die wir kennenlernen, sind regelrechte Azorenfans, die es jeden Sommer wieder zu den Inseln im Atlantik zieht. Manche haben sich in Santa Maria verliebt und sind schon seit langer Zeit hier, wie zum Beispiel Heidi und Robert von der PURA VIDA, die uns viel über die Insel zu erzählen wissen, uns schöne Ecken und gute Restaurants zeigen. Für zwei Tagen nehmen wir einen Mietwagen und erkunden die Insel, die mit 96km2 recht überschaubar ist, aber dennoch viel zu entdecken bietet. Der Inselwesten, in dem sich auch der Flughafen befindet, ist eher flach und trocken, der Osten hingegen ist sehr grün, fruchtbar und hügelig. Die Landschaft wirkt sehr idyllisch auf uns, mit ihren Weiden und Wiesen, den Rindern und Pferden, den gepflegten Wegen und weissgekalkten Häusern mit den farbenfrohen Tür- und Fensterrahmen, den Blumen und Agaven am Strassenrand, die einen denken lassen, man fahre direkt durch einen privaten Garten, den dichten Sicheltannen-Wäldern rund um den Pico Alto (dem mit 580m höchsten „Berg“ der Insel) und der absoluten Ruhe, die durch das Zwitschern der Vögel und das leise Rauschen des Windes in den Bäumen noch stärker auf uns wirkt.

Unsere erste Azoreninsel auf dieser Reise gefällt uns also wirklich gut. Nur den madeirensischen Bolo do Caco vom Strassenstand vermissen wir (vor allem Regula) schon etwas. Dafür können wir hier auf den Azoren nun die sagenhaften Ananas von São Miguel geniessen. Die eher kleinen Früchte sind unglaublich aromatisch und süss! Gut, dass wir an Bord keine Waage haben… Da können wir weiterhin ungestört den Leckereien der portugiesischen Küche frönen.

Die Vorfreude auf São Miguel, die Insel, die wir als nächstes besuchen wollen, steigt (nicht nur wegen der leckeren Ananas), und wir bereiten uns langsam darauf vor, weiterzuziehen. Nun folgen hier aber erst einmal ein paar Fotos von Calheta und natürlich auch von Santa Maria, der Sonneninsel, die, wie wir meinen, ihren Namen absolut zu recht trägt!

Bis zum nächsten Bericht, herzlichi Grüess us Vila do Porto, eure Thomas & Regula
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Manchmal kommt es anders als geplant – Porto Santo und Madeira

13/6/2019

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Wo bleibt das Wetterfenster?









Madeira versüsst uns das Warten.
Eigentlich hatten vor, direkt von Porto Santo aus zu den rund 500 Seemeilen entfernten Azoren zu segeln. Aber es sollte anders kommen: Nach einigen entspannten, wenn auch windigen, Tagen im Hafen von Porto Santo zeichnet sich Mitte Mai tatsächlich ein günstiges Wetterfenster für den Sprung nach Santa Maria (der südöstlichsten Azoreninsel) ab. Doch dann erreicht uns eine traurige Nachricht und wir müssen für eine Beerdigung in die Schweiz fliegen. Weil die Flugverbindungen von dem benachbarten Madeira aus besser sind, segeln wir bei nächster Gelegenheit hinüber und lassen die OKOUMÉ während unserer Abwesenheit in der Marina Quinta do Lorde am Ostzipfel Madeiras liegen.

Nach einer intensiven Woche in der Schweiz kehren wir nach Madeira zurück. Regulas Bruder Christian begleitet uns; zu dritt erkunden wir während einiger sonniger Tage die Blumeninsel per Mietwagen und zu Fuss. Inzwischen ist es Juni und wir erleben die spektakuläre Inselnatur in ihrer vollen Pracht. Der Norden wuchert in wildem und saftigem Grün, auf der Hochebene Paúl da Serra blühen verschwenderisch die gelben Mimosen und überall zieren violette und weisse Blumen den Wegrand. Immer wieder kommen wir an terrassierten Bananenplantagen und romantischen Gärten im Schatten üppiger Pergolen vorbei. Neben den Strassen fallen die Klippen steil und gebieterisch in die Tiefe, der vulkanische Ursprung der Insel ist unübersehbar. Wir wandern entlang der Levadas – der teils jahrhundertealten Bewässerungskanäle, die die Insel durchziehen – durch üppiges Farngewächs und zauberhafte Lorbeer- und Heidewälder. Und wenn die Nacht hereinbricht hört man mancherorts den Micky Maus-ähnlichen Ruf der Sturmtaucher, die hoch über dem Meer in den majestätischen Klippen nisten.

Madeira hat wirklich viel zu bieten. Manches stimmt uns aber auch nachdenklich: Der Südteil der Insel ist fast so dicht bebaut wie die Goldküste am Zürichsee und es scheint kein Ende der Bautätigkeiten in Sicht. Die Bauwut nimmt auch gefährliche Auswüchse an: Im Bereich der Marina Calheta, in der wir nun liegen, kam es während Sicherungsarbeiten an der steilen Felswand mehrmals zu Steinschlägen. Im Februar traf eine Steinlawine das direkt unterhalb der Klippe liegende Restaurant Rocha Mar; eine 23-jährige Köchin kam dabei ums Leben. Auch jetzt, da die Arbeiten am Fels anhalten, wohnen noch Einheimische auf dem Dach des Restaurants in einer einfachen Hütte. Jederzeit könnte ein erneuter Bergrutsch das Ende bedeuten. Daneben trotzt das grosse, moderne Hotel Savoy den Elementen (und lockt mit aus Marokko importiertem hellem Sand die Touristen an) – was für ein Gegensatz zur einfachen Behausung gleich nebenan.

Die Arbeiten im Fels beeinträchtigen auch das Leben in der Marina Calheta. Der Landzugang über die Stege ist tagsüber aus Sicherheitsgründen gesperrt; erst ab 8 Uhr abends, wenn die Arbeiter am Berg Feierabend machen, wird der Zugang geöffnet. Wenn wir an Land wollen, winken wir dem netten Marinero, der uns mit dem Marina-Dinghy übersetzt. Während der Arbeitszeiten können auch die Duschen nicht benutzt werden (die eh so heiss sind, dass man sich eher verbrüht als erfrischt, während einem die dicken Kakerlaken aus den dunklen Ecken beim Duschen zusehen), und natürlich geht einem mit der Zeit auch der ständige Lärm der Pressluftbohrer etwas auf die Nerven.

Überhaupt ist das Bereisen Madeiras per Segelboot nicht so einfach. Es gibt schlicht keine wirklich gute Marina, geschweige denn eine geschützte Ankerbucht. Calheta ist, wie gesagt, steinschlag- (und kakerlaken-)gefährdet, Funchal chronisch überfüllt und schwellig, und in der Marina Quinta do Lorde – einem Luxus-Feriendorf, das aus dem Boden gestampft wurde – kommt man sich eher wie in einer (wenn auch hübschen) Theaterkulisse vor als wie in einem richtigen Hafen. Quinta do Lorde liegt zudem in einer sehr windigen Ecke der Insel. Es versuche mal einer, in dieser Marina Wäsche aufzuhängen! In Angst um das frisch gewaschene Bettzeug springt Regula zur Belustigung des ganzen Hafens wie ein Hampelmann auf dem Deck der OKOUMÉ auf und ab, während die Fallböen gierig in die flatternden Stoffe greifen. Eine bühnenreife Vorstellung passend zum Ambiente; „all the world’s a stage“, sozusagen...

Was uns in den Häfen Madeiras jedoch für vieles entschädigt, ist die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen. Während wir in der Schweiz sind, hat das Quinta do Lorde-Team ein Auge auf unser Boot und schickt uns sogar per E-Mail Fotos und die Nachricht, dass mit unserer OKOUMÉ alles in Ordnung sei. Und in Calheta empfängt man uns auch nach Feierabend noch mit einem Lächeln im Hafenbüro.

Auch wenn die Herzlichkeit der Menschen hier viel aufwiegt, möchten wir nun wirklich gerne zu den Azoren weitersegeln. Nur das Wetter will nicht so wie wir wollen. Am 8. Juni legen wir mit Ziel Azoren von Madeira ab, kehren aber nach ein paar Stunden nach Calheta zurück, nachdem uns am Westkap der Insel anstelle der vorhergesagten 10 Knoten Nordwind deren 25 auf die Nase wehen. Wir sind verunsichert: Ist dies nur der Kompression entlang der steilen Westküste geschuldet oder hat sich der Wetterbericht derart vertan? Am nächsten Morgen konsultieren wir erneut die aktuellen Wetterdaten und sehen, dass der Wind mehr nach Westen gedreht und sich auch verstärkt hat – keine guten Voraussetzungen für einen Schlag zu den Azoren. Wir entscheiden uns, abzuwarten.

Leider bessern sich die Aussichten auch in den kommenden Tagen nicht. Im Gegenteil: Ein dickes Sturmtief zieht auf die Azoren zu. So üben wir uns halt in Geduld und lernen noch mehr über die hiesigen Insel-Weisheiten und Eigenarten. Wir wissen nun zum Beispiel, wie man in der kultigen Strandbar von Madalena do Mar den besten Preis für den Kaffee erhält, denn da gilt die folgende Preisliste, die auf der Wand hinter der Bar angebracht ist:
„Um café“ = 1 Euro
„Bom dia, um café“ = 0.80 Euro
„Bom dia, um café, se faz favor“ = 0.70 Euro
(Übersetzung: „1 Kaffee“ = 1 Euro, „Guten Tag, 1 Kaffee“ = 0.80 Euro, „Guten Tag, 1 Kaffee, bitte“ = 0.70 Euro :-) )

Bemerkenswert ist auch der Bezug der Einheimischen zu den auf ihrer Insel hergestellten Alkoholika. Im Hafenbecken der Marina Quinta da Lorde lagern dem Gerücht nach 700 Flaschen „Aguardente“, dem in Porto da Cruz hergestellten Rum (die Distillerie ist übrigens beeindruckend und hat uns an die Karibik erinnert). Der genaue Lagerort ist geheim, nicht einmal Orlando, der seit über 10 Jahren in der Marina arbeitet, weiss, wo man den wertvollen Schatz denn nun wirklich vergraben hat. Und von dem Autovermieter in Calheta erfahren wir die folgende amüsante Geschichte: Ein ortsbekannter Seemann, dessen Sohn eine Bar in Paúl do Mar betreibt, segelt zurzeit um die Welt, an Bord einige Flaschen Madeira-Wein, die erst bei seiner Rückkehr in besagter Bar geöffnet werden dürfen. So lange würden wir nicht auf den Genuss des portweinähnlichen Trankes warten wollen und kredenzen uns gleich am selben Abend noch ein Gläschen desselben.

Während wir uns also kulturell und kulinarisch in den madeirensischen Alltag vertiefen und weiterhin auf ein Wetterfenster für den Schlag zu den Azoren hoffen, folgen hier ein paar Impressionen zu unserer Zeit auf Porto Santo und Madeira:
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Herzliche Grüsse
aus Calheta (Madeira),
eure OKOUMÉ-Crew
Thomas & Regula
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Neue Ziele, alte Freunde – Andalusien, Tanger (Marokko), Gibraltar & retour nach Lagos

5/5/2019

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Fette Pötte...
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…und pompöse Projekte
(Modell der Marina Tanger im Hafenbüro)

Was uns am Fahrtenseglerleben besonders gut gefällt, ist, dass es Neues und Altes zusammen bringt. Da besegelt man zum Teil monatelang neue Gebiete, entdeckt einem noch fremde Ziele und macht neue Bekanntschaften, und plötzlich tauchen bekannte Gesichter auf und man trifft ganz unverhofft Freunde wieder, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. Wie schön und aufregend ist es dann, zusammen im Cockpit zu sitzen, Neuigkeiten auszutauschen und zu erfahren, was die anderen in den letzten Monaten (oder gar Jahren) so erlebt haben.

Genauso ist es uns im vergangenen Monat ergangen: Im April hat uns die Reise an viele, für uns gänzlich neue, Orte geführt. Wir sind der andalusischen Küste entlang gesegelt und haben unter anderem das reizvolle Cádiz angesteuert. Hier haben wir nicht nur einige Kilometer zu Fuss durch die geschichtsträchtigen Gassen hinter uns gebracht und am grossen Frischmarkt Tapas und Weisswein genossen, sondern beim Kreuzfahrtschiff-Terminal auch die erste (noch lebende) Kakerlake der Reise gesichtet. Vom weiter südlich gelegenen Barbate aus haben wir dann den Sprung nach Marokko gewagt und in Tanger das Tor zu Afrika betreten; für uns war dies der erste Besuch eines muslimischen Lands überhaupt. Und zwei Wochen später warfen wir vom berühmten Affenfelsen in Gibraltar einen Blick „um die Ecke“ ins Mittelmeer. Kurz entschlossen sind wir schliesslich von der Strasse von Gibraltar aus über Nacht zurück nach Lagos gesegelt, um uns in eine günstigere Position für den Törn nach Madeira zu bringen. Und wen treffen wir hier in Lagos? Nicht nur einige Segler, die wir während unseres Winteraufenthalts kennengelernt haben, sondern auch alte Freunde, mit denen wir 2011 die Hurrikansaison in der Karibik verbrachten! Insgesamt sind es Crews von 4 Schiffen, die sich hier in Lagos wieder treffen: Erika und Reini von der NORA, Horst, der nun mit der ALUA unterwegs ist, Stefan von der PAS DE DEUX, der für drei Wochen bei Horst mitfährt, und  wir, die Ex-BALUs. Das Zusammentreffen muss natürlich gefeiert werden und so gibt es den einen und anderen (längeren) Abend am Strand und in der Bar… Dazwischen lassen wir die OKOUMÉ bei der Werft Sopromar für drei Tage an Land stellen, um das Unterwasser zu kontrollieren und das Antifouling zu erneuern. Wir tragen drei Schichten in verschiedenen Farben auf: die erste Schicht in Schwarz, die zweite in Weiss und die dritte in Grau. So können wir später besser überwachen, wie viel Antifouling bereits abgetragen wurde – wenn wir „schwarz sehen“ bedeutet dies sinngemäss das baldige Ende ;-)

Seit wir wieder in Lagos sind, ist der Sommer eingetroffen. Täglich scheint die Sonne von einem wolkenlosen Himmel und es ist angenehm warm (manche würden behaupten heiss). Mittlerweile ist die Vorsaison angebrochen. Die beschaulichen Wintertage, an denen kaum Touristen durch die Gassen schlenderten und die Altstadt noch etwas verschlafen wirkte, sind vorbei. Mit grossen Autobussen werden nun massenhaft Besucher herangeschafft, die Bootstouren zu den Felsengrotten florieren und in den vielen Bars rund um die Marina rösten weisse (und bald krebsrote) Beine und Bäuche in der Sonne. Während unseres Törns von Andalusien nach Marokko und Gibraltar war dies noch ganz anders gewesen. Der April hatte uns eher kühles und nasses Wetter beschert. Trotzdem möchten wir diesen „Frühlingstörn“ nicht missen. Besonders die Woche in Tanger waren ein tolles und interessantes Erlebnis:

Am 13. April segeln wir hart am Wind bei besten Bedingungen (ca. 4 Beaufort und moderater Seegang) über die Strasse von Gibraltar. Um von Spanien nach Afrika zu gelangen, müssen wir das Verkehrstrennungsgebiet überqueren, auf dem die grossen Frachter wie auf einer Autobahn durch die Meerenge fahren. Mit Hilfe des AIS und Peilungen mit dem Fernglas geht das eigentlich ganz gut. Nur einmal müssen wir unseren Kurs etwas korrigieren und „bremsen“, damit uns ein Ungetüm von lächerlichen 290 Metern Länge nicht zu nahe kommt. Nach Passieren des Verkehrstrennungsgebiets dreht der Wind etwas und wir können mit halbem Wind direkt in die grosse Hafenanlage von Tanger segeln. Zwei Fischer winken uns zu und machen das Daumenhoch-Zeichen – ein schöner Willkommensgruss. In der nagelneuen Marina von Tanger steuern wir den Klarierungssteg an und werden von Abdellatig in Empfang genommen, der hier als Mariñero arbeitet. Er hilft uns bei der Einklarierungsprozedur, führt uns der Reihe nach zu den jeweiligen Behörden und ins Hafenbüro. Nach einer guten Stunde ist alles erledigt und wir können an unseren Liegeplatz ein paar Stege weiter vorne im Hafen verlegen, wobei uns wieder eifrige Hände mit den Leinen helfen.

Am ersten Tag fühlen wir uns noch recht fremd in der neuen Umgebung. Das Marinapersonal ist zwar sehr freundlich und hilfsbereit, die moderne Anlage mit den über 600 Liegeplätzen ist jedoch wahnsinnig pompös – und vor allem ist sie noch sehr leer. An unserem Steg liegen gerade mal drei weitere Boote, die alle unbewohnt sind. Die grosse Anlage wird trotzdem geputzt und gepflegt, was das Zeug hält. Jeden Morgen werden die Stege abgekärchert, die Abfalleimer gereinigt und die Strasse gefegt (von so etwas kann man in den spanischen Marinas entlang der Atlantikküste nur träumen). Sogar der perfekte Rasen entlang der Marina-Promenade wird ständig gewässert und in Schuss gehalten. Diesen Rasen darf man übrigens nicht betreten, sonst wird man von einem der vielen Wachmänner in gelber Weste (ja, die sorgen hier eher für Ordnung als umgekehrt!) zurückgepfiffen. Die Leute flanieren gerne über die neue Promenade, sie dürfen aber nicht über die Strasse zu den Stegen gehen, was dazu führt, dass wir uns als „Privilegierte“ etwas unwohl fühlen, wenn wir von vielen Augen beobachtet aus dem Boot klettern und uns da bewegen dürfen, wo die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. In der Nacht hören wir von der Koje aus, wie die jungen Männer der Oberschicht mit ihren fetten Porsches durch die Stadt rasen und ein regelrechtes Autorennen veranstalten. Auch der Ruf des Muezzin, der uns früh morgens weckt, ist für unsere westlichen Ohren noch etwas gewöhnungsbedürftig ;-)

Am zweiten Tag fühlen wir uns jedoch schon viel wohler und mit der Zeit bewegen wir uns ganz entspannt durch die Stadt. Sowohl die Nouvelle Ville (der neuere Stadtteil) als auch die Medina (die Altstadt), die im krassen Gegensatz zum herausgeputzten Marinabereich steht, haben es uns angetan. Hier betreten wir eine andere, fremde Welt, die auf uns sehr anziehend und anfangs fast überwältigend wirkt. Besonders die überdachten Märkte nahe des Gran Socco lassen uns staunen. Hier gibt es Fisch, Fleisch (inklusive Gedärme und Innereien), Fladenbrot, Gewürze in allen Farben, Gemüse, Obst, sogar Frischmilch… Der Duft, der in der Luft liegt, ist betörend, die Geräuschkulisse auch. Wir kaufen unglaublich süsse Datteln und die besten Oliven, die wir je gegessen haben. Regula kommt auch wieder zu ihren mittlerweile so geliebten Orangen für das Zmorge-Müesli.

Obwohl wir gelesen haben, dass man es auch als Touristen vermeiden sollte, in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten auszutauschen, sehen wir wiederholt einheimische Paare Hand in Hand vorüberschlendern. Die Frauen kleiden sich auffallend modisch (manchmal auch sehr körperbetont) und viele sind auch geschminkt. Etwa 80% tragen ein Kopftuch. Wir treffen auch immer wieder auf Frauengruppen, die ohne Männer unterwegs sind oder abends lachend und entspannt im Kaffee zusammensitzen. Viel Haut sieht man aber wirklich nicht, sogar die Männer tragen meist lange Hose und Hemd.

Wir müssen diesen (etwas eilig heruntergeschriebenen) Bericht hier nun beenden, denn die Zeit läuft uns leider davon. So wie es aussieht, werden wir morgen von Lagos ablegen, um nach Porto Santo (Madeira) zu segeln. Ca. 4 Tage werden wir unterwegs sein (das Herz klopft schon ziemlich schnell beim Gedanken daran) und es gibt noch einiges aufzuräumen und festzuzurren, bevor wir morgen abfahren können… Die Fotos zu Marokko und Andalusien werden wir später „nachliefern“ :-)

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Ciao und herzlichi Grüess us Lagos
Thomas & Regula

13. Mai 2019:
Inzwischen sind wir in Porto Santo eingetroffen. 4 Tage und Nächte hat die Überfahrt gedauert. Wie erwartet, hatten wir recht wenig Wind, dafür aber auch keine allzu hohen Wellen. Weil der Wind während der ersten 3 Tage mehrheitlich aus West wehte, mussten wir einen kleinen Umweg machen und zuerst hart am Wind südwestwärts segeln. Als der Wind schliesslich nach Norden drehte, konnten wir unseren Kurs ändern und direkt auf Porto Santo zu halten. Dazwischen hatten wir auch einige Zeit lang Flaute und mussten motoren. Insgesamt haben wir 506 Seemeilen zurückgelegt. Immer wieder hatten wir Besuch von Delfinen, sahen am ersten Tag einen Wal (Buckelwal?) und am dritten Tag sind wir dutzenden Schildkröten begegnet, die an der Meeresoberfläche in Richtung Afrika trieben (eine hätten wir beinahe überfahren – zum Glück hat sie doch noch rechtzeitig den Kopf eingezogen). Auch Quallen konnten wir an jenem dritten Tag viele beobachten, sie sahen aus wie kleine Portugiesische Galeeren.

Wie schön ist es, wieder hier in Porto Santo zu sein! 9 Jahre ist es her, seit wir mit der BALU die ca. 30 Seemeilen von Madeira entfernte Insel besuchten. Auf den ersten Blick hat sich nicht viel verändert, noch immer scheint der Insel-Rhythmus gemächlich und authentisch. Wir freuen uns sehr, während der nächsten Tage die Insel „wiederzuentdecken“. In der Zwischenzeit folgen nun hier die versprochenen Fotos zu Andalusien, Marokko und Gibraltar.

Villi sunnigi Grüess usem Summer vo oiere OKOUMÉ-Crew, Thomas & Regula :-)
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